Das Abenteuer beginnt

Podgorica in Montenegro. Das war die erste Station meiner Weltreise. Als ich in meiner Unterkunft in der Nähe des Flughafens ankam, war es kurz vor Mitternacht am Montag des 1. August. Simo, der Besitzer des Apartments, fuhr mich am Dienstagmorgen mit dem Auto zum Busbahnhof. Von dort aus ging es für 13 Euro mit dem Bus nach Plav. Das Fahrvergnügen dauerte 3 Stunden. Erwähnenswert sei hier meine erste Begegnung.

Stanislas aus Frankreich. Er ist 28 Jahre und wohnt in Marseille. Schon nach den ersten auf Englisch gesprochenen Sätzen war da eine gewisse Verbindung zu spüren, schienen unsere Interessen doch von ähnlicher Natur. Abenteuerlust. Er verließ sein Heimatland Anfang Juli und ist seither mit dem Rucksack im Balkan unterwegs. Wir entschlossen uns, in Plav gemeinsam eine Unterkunft für die erste Nacht zu suchen. Dies gelang im dritten Versuch und so hatten wir am späten Nachmittag auch noch Zeit im „lake Plav“, einem Gletschersee, ein Ründchen zu schwimmen. Ein erfrischendes Erlebnis bei sommerlichen Temperaturen um die 30 Grad Celsius. Beim anschließenden Abendessen philosophierten wir über Gott und die Welt, das Bergsteigen, seine Arbeit als Intensivpfleger und die meine als Lehrer.

Ein Blick auf die Stadt Plav den herrlichen Gletschersee.

Am nächsten Morgen hatten wir um 8 Uhr einen Termin bei der örtlichen Grenzpolizei, welchen wir am Vortag vereinbarten, um die Genehmigung für den Grenzübertritt nach Albanien zu erhalten. Viele Wanderer verzichten hierauf, da es kaum entsprechende Kontrollen gibt. Doch sicher ist sicher, so unser Motto. Der schweigsame und keine andere Sprache sprechende Polizist suchte schier planlos das entsprechende Formular, studierte unsere Pässe und gab uns nach 45 Minuten zu verstehen, dass er auf seinen Kollegen wartet. Letztlich dauerte es eineinhalb Stunden bis dieser uns für jeweils 4 Euro das bisher nicht benötigte Papier ausstellte. 

Gegen 11 Uhr machten wir uns auf die erste Etappe des „peak of balkan“. Zielort war Vusanje. Einer offiziellen Internetseite zufolge sind das 21,5 Kilometer, dabei geht es 1370 Höhenmeter auf und 1300m ab. Acht Stunden solle man dafür einplanen. Am Ende des Tages zeigte meine GPS-Uhr 44.000 Schritte und 35 Kilometer. Eine sehr anspruchsvolle Tour. Erst recht wenn man wie ich einen schweren Rucksack mit sich trägt. 

An dieser Stelle möchte ich das „Rätsel“ aus meinem zweiten Blogeintrag auflösen. Dort sprach ich über drei Möglichkeiten, wie ich mit dem viel zu schweren Gepäck umgehen werde. Ich wählte die erste Möglichkeit, lies also einige meiner Klamotten in Plav zurück. Dort werden sie bis zu meiner Rückkehr sicher verwahrt. 

Nichtsdestotrotz sollte ich bald spüren, dass mein Rucksack noch immer viel zu schwer war. Meiner Schätzung zufolge sind es zirka 20 Kilogramm – inklusive Schlafsack, Isomatte, Zelt, etwas Kleidung, einer drei Liter fassenden Trinkblase, etwas Nahrhaftem und diverser Technik. Nach mittlerweile zwei herausfordernden Etappen reifte eine Erkenntnis: dieses Gewicht ist einfach ungeeignet, um weitestgehend problemlos zu wandern. Ehrlich gesagt, beneide ich die Wanderer, die mit einem kleinen Rucksack schier unbeschwert die Berge durchqueren. Meistens wird deren Gepäck durch einen Reiseveranstalter von A nach B gefahren. Andere wiederum übernachten in zuvor gebuchten Gasthäusern, benötigen also erst gar nicht jene Campingsachen, die meinen Rucksack füllen. 

Für ein anderes Problem sorgten meine Schuhe. Obwohl ich diese schon seit fünf Jahren besitze und guten Gewissens behaupten kann, dass sie eingelaufen sind, bereiteten sie mir Schwierigkeiten. Schon nach einigen Stunden rieb ich mir an der rechten Verse eine Blase. Noch viel schlimmer sollte sich das Bergablaufen auf meine physische Gesundheit auswirken. Die großen Zehen wurden durch das Anstoßen in der Schuhspitze blau und die Haut auf der Schulter durch die Rucksackriemen aufgescheuert. Zudem muckte das operierte linke Knie beim Bergablaufen, womit ich aber rechnete. 

Zurück zum „peak of balkan“. In Vusanje angekommen, fanden Stanislas und ich ein schickes Gasthaus. Im Garten schlugen wir unsere Zelte auf und genossen den Abend bei einem 4-Gänge-Menü (bitte nicht mit einem Restaurant in Deutschland vergleichen). Für Übernachtung und Verpflegung zahlten wir gemeinsam nur 15 Euro – ein wahres Schnäppchen wie ich finde. 

Am Donnerstagmorgen brachen der nette Franzose und ich auf zur zweiten Etappe. Diese sollte uns nach Teth in Albanien führen. Bereits am Vorabend vereinbarten wir nach einem gemeinsamen Start schließlich getrennte Wege zu gehen. Stanislas wollte auf seinen Etappen zusätzlich noch ein paar Gipfel erklimmen, was ich mit meinem Gepäck und den gesundheitlichen Einschränkungen als vorerst zu schwierig und anstrengend empfand. Die Telefonnummern ausgetauscht, die Einladung zum Besuch in Marseille ausgesprochen, fiel der Abschied von meinem ersten Weggefährten sehr herzlich aus. 

Ebenfalls mit einer Abenteuerlust infiziert – mein erster Weggefährte Stanislas.

So zog ich schließlich alleine durch das idyllische Bergland Montenegros und Albaniens. Auf meinem Weg traf ich in den Bergen lebende Hirtenfamilien sowie Menschen aus Deutschland, Österreich, Italien, Spanien, Frankreich, England, Wales, Israel, Kanada, der USA und den Niederlanden. Den einen begegnete ich mit einem freundlichen und kurzen „Hello“, den anderen mit einem kleinen Smalltalk und dem Unterzeichnen meines Balles. Genau das sind die Momente, die das Wandern für mich lohnenswert und zu einer nicht geplanten aber scheinbar größeren internationalen Begegnung machen. 

Der zweite Tag sollte mit einem knallharten Abstieg vom Berg „Qafa e Pejës“ ins Thether Tal enden. Eine Unachtsamkeit, ein falscher Schritt oder ein Wegrutschen auf dem losen Geröll und man wäre im schlimmsten Fall mehrere hundert Meter in die Tiefe gestürzt. Immer wieder Pausen einlegend und Wasser trinkend, absolvierte ich diesen Abschnitt langsam und mit aller Sorgfalt, Konzentration und Kraft, die mir mein Körper nach intensiven Stunden noch bereit war, zu geben. Am Ende der Etappe zählte meine Uhr 41.000 Schritte und 32,5 km. Erneut eine deutliche Abweichung zu den Angaben im Reiseführer mit 21,3 km. Diesem zufolge sollen es auch die beiden anspruchsvollsten Etappen gewesen sein. Doch Glauben schenke ich der Behauptung vorerst nicht. 

Heute ist Freitag, der 5. August und er stellt für mich den ersten Ruhetag auf diesem sportlichen Abenteuer dar. Zeit um kleine Blessuren heilen zu lassen, Kraft zu tanken, die Eltern anzurufen, zu lesen und diesen Eintrag zu verfassen. Ob ich alle Etappen dieses mittelschweren und landschaftlich einmaligen Wanderwegs gehen werde, kann ich derzeit nicht bejahen. Die Antwort hierzu wird mir mein Körper geben. 

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Bruderherz

    Hallo Henrat, hier ist Feline und Tons. Wir hoffen deine Blessuren verheilen, das du weiter laufen kannst. Ich vermisse dich(Feline). Ich dich auch😉.Pass bitte gut auf. Bis später

  2. Kai Reinecker

    Erhole dich ein wenig und dann aber wieder los ….dein Freund Kai

  3. Fynn Jäger

    Hallo Herr Buchberger,
    Ich habe mir jetzt Ihre erste Eintragung durchgelesen und bewundere sie jetzt schon.
    Ich hoffe das geht gut mit ihrem Knie.
    LG Fynn

  4. Thomas Becker

    Hallo Henry, bergab musst du die Wanderschuhe enger schnüren, damit der Fuß an der Ferse festsitzt. Dann stößt du auch nicht vorne an. Hab ich schmerzhaft am Kilimanjaro gelernt. Liebe Grüße, Thomas

  5. Nadin Reinecker

    Hallo Henry,
    echt beeindruckend, was du bereits in den ersten Tagen so erlebt hast.
    Freu mich schon auf deinen nächsten Beitrag.
    Pass auf dich auf!!!
    Liebe Grüße 😊
    Nadin

  6. Kerstin Winckler

    Hallo Henry,schön ,daß wir an deiner Reise/Wanderung teilhaben können.Wie immer schreibst du,als würde man neben dir gehen…Pass auf dich auf…mach,was dir gut tut…der Weg ist das Ziel.Wir grüssen dich aus Schweden.
    (mach eine Kompressionsbinde ums Knie und abends Quark drauf,wenn du hast,die Füße gewöhnen sich )

  7. Horst und Moni

    Was für eine atemberaubende Natur, wir beneiden dich Henry.

  8. Petra Seeber

    Hallo Henry, mit großem Interesse las ich diesen Eintrag. Unglaublich was du schon in dieser kurzen Zeit erlebt hast.Ich wünschte, aus all diesen Einträgen wird am Ende ein Buch, so toll wie dieses, welches du von mir geliehen hattest.
    Ganz herzliche Grüße aus der Heimat, mit Tipps zum Wandern kann ich leider in diesen Dimensionen nicht dienen.
    Bis bald PeSee

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