Die To-Do-Liste an der Bürotür

Weltreise. Mit diesem Wort assoziiere ich Fernweh, Abenteuer, Herausforderungen, Freiheit, Mut und vieles mehr. Die Welt zu bereisen, war ein langersehnter Traum, der für mich am 1. August 2022 Wirklichkeit wurde. An jenem Montag brach ich auf, um fremde Länder und Kulturen sowie zahlreiche neue Menschen kennenzulernen. Ein neuer Lebensabschnitt begann. Allerdings nicht ganz blauäugig und erst recht nicht unvorbereitet.

Im Vorfeld meiner Weltreise, die ich mit einem offiziellen Auswandern verknüpfte, beschäftigten mich verschiedene Gedanken und Fragen. Es galt viele Dinge zu bedenken, zu beantragen und zu erledigen. Um möglichst nichts zu vergessen, zierte eine große selbstklebende Folie meine Bürotür. Sie diente mir als To-Do-Liste und Gedankenstütze. Ich notierte hier Tipps und Hinweise, die mir bei Recherchen entgegneten oder Gedanken, die mir gelegentlich munter im Kopf umherschwirrten. Um dieses Gedankenchaos, und das war es an bestimmten Tagen, zu ordnen, schrieb ich einen Zeitplan. Alle Aufgaben sofort erledigen zu wollen, war natürlich nicht möglich und erst recht nicht mit meinem Beruf und all den anderen Tätigkeiten gut vereinbar. Diese grobe Planung gab mir einerseits Sicherheit, andererseits verdeutlichte sie mir bildhaft, dass dieses Vorhaben keineswegs eine spontane Laune meinerseits, sondern ein ernsthaftes Unterfangen war.

Der erste Punkt auf meiner Liste lautete „Festlegen des Abreisedatums“. Meine Wahl fiel auf den 1. August 2022. Diesen Tag hatte ich etwa ein Jahr zuvor auserkoren. Das Datum bot mir zum einen die Gelegenheit, das Schuljahr als Lehrer ordentlich abzuschließen und zum anderen hatte ich mit dem letzten Schultag anschließend noch zwei Wochen Zeit, die verbleibenden Aufgaben zu erledigen. 

Doch nun von vorn. Nachdem das Abreisedatum feststand, war es für mich einfacher, andere Dinge terminlich festzulegen. Zugleich hatte mein Gehirn endlich ein Datum, mit dem es arbeiten konnte. Das Ziel wurde greifbarer. Zudem kommunizierte ich es im Familien- und Freundeskreis und hatte eine Antwort parat, wenn mich diverse Menschen fragten, wann es denn soweit sei.

Dass ich Deutschland irgendwann auf unbestimmte Zeit verlassen wollte, beschloss ich bereits vor einigen Jahren, vorerst ohne es jemanden anzuvertrauen. Als ich 2016 Klassenlehrer einer 5. Klasse wurde, hatte ich es mir zum Ziel gesetzt, diese Jungen und Mädchen bis zum Abschluss in der Klasse 10 zu begleiten. Die Vorstellung eines Tages die Welt zu bereisen und noch einmal etwas ganz anderes zu tun, wurde anschließend immer stärker. Aus einem gelegentlichen mich beschäftigendem Gedanken wurde ein regelmäßiger. So beschloss ich, einen guten Zeitpunkt für mein Vorhaben zu wählen. An dieser Stelle sei gesagt, dass es diesen eigentlich nie gibt. Möglicherweise findet man immer Gründe, warum es gerade jetzt oder dann nicht geht. Hier ein Rat: nicht zu lange warten, manchmal kann es morgen schon zu spät sein. Ich hatte mir schließlich das Jahr 2022 auserkoren, um meinen Traum wahrwerden zu lassen. Zum einen wollte ich meiner bereits erwähnten Klasse die Abschlusszeugnisse überreichen und zum anderen war es auch meine Ehrenämter betreffend ein durchaus passendes Jahr. Nachdem ich 2002 als Trainer einer Nachwuchsmannschaft mein ehrenamtliches Engagement in meinem Heimatverein SV Fortuna Griesheim begann, konnte ich 2022 nach 20 Jahren aufopferungsvoller Hingabe guten Gewissens mein Engagement beenden. 

Um meine Vorgesetzten auf beruflicher Ebene rechtzeitig von meinem Vorhaben in Kenntnis zu setzten, informierte ich jene bereits im Jahr 2018 – immer mit dem Hinweis „voraussichtlich“. Im Fußballverein tat ich selbiges. In einem Gespräch mit meinem Freund und Stellvertreter Mario, zu jener Zeit war ich Vorsitzender der Fortuna, ließ ich ihn an meinen Gedanken teilhaben. Später informierte ich meine Vorstandskollegen und ließ mich im Februar 2020 ein letztes Mal zum Präsidenten des Fußballvereins wählen. 

Die Wintermonate Ende 2020 und Anfang 2021 nutzte ich, um mich bereits einiger materieller Dinge zu entledigen. Beispielsweise mistete ich den vollen Kleiderschrank aus und begann meine Ordner im Büro zu sortieren und mich gewisser Dokumente zu entledigen. Dieses Ausmisten, Sortieren und Entledigen ging stets mit einem befreiendem Gefühl einher. Fakt ist auch, dass sich im Laufe meines Lebens Vieles ansammelte, darunter auch Dinge, die ich eigentlich nicht brauchte oder die ich doppelt teils mehrfach besaß.

Den Reisepass musste ich während meiner Weltreise oft vorzeigen, hier an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina.

Im Dezember 2021 schrieb ich meine Job-Kündigung mit dem Vermerk zum 31. Juli 2022 aus dem Schuldienst auszuscheiden. Im Januar 2023 warf ich jenes Papier schließlich auch in den Briefkasten. Als lediglich angestellter Lehrer verlief jene Formalität auch problemlos. Ebenso wie die Beantragung eines neuen Reisepasses, den ich Ende Mai in meinen Händen hielt. 

Dieses Foto mit meinem Rucksack entstand im August 2022 an einer Bushaltestelle in Kroatien, als ich mich nach ein paar gemeinsamen Tagen auf der Insel Pag von meinen Griesheimer Freunden verabschiedete.

Als Backpacker, der ich ja schließlich werden wollte, war natürlich eine entsprechende Ausrüstung von Nöten. Wichtigstes Ausrüstungsstück war dabei der große Rucksack, in welchem letztlich alle Kleidungsstücke und andere notwendige Utensilien unterzukommen hatten. Da ich ihn voraussichtlich oft tragen sollte, auch während der einen oder anderen stundenlangen oder mehrtägigen Wanderung, war es natürlich wichtig, einen gut sitzenden Wanderrucksack mit durchdachten Innenleben zu besitzen. Ich entschied mich, bestens beraten durch meine Freunde Sandra und Matthias bei Intersport Prediger in Ilmenau, für einen 90 Liter fassenden Rucksack, der bei Bedarf auf 110 l vergrößerbar war. Das Modell brachte leer etwa drei Kilogramm auf die Waage. Um den Rucksack zu testen, unternahm ich im März vor meiner Abreise eine Wanderung bei Bad Blankenburg. Mit 18 Kilo im Gepäck lief schließlich einige Stunden durch das herrliche Schwarzatal. Schnell wurde mir klar, dass ein solches Gewicht herumzuschleppen, ein sehr ambitioniertes Vorhaben war. Umso wichtiger war es herauszufinden und aufzulisten, welche Kleidungsstücke und Dinge ich für die Weltreise denn wirklich benötigte. Fakt war: viel durfte es nicht sein. 

In den kommenden Wochen stöberte ich in verschiedenen Foren und las Erfahrungsberichte anderer Weltreisender. Schnell war mir klar, dass ich die Listen anderer nicht eins-zu-eins übernehmen konnte, da doch jeder letztlich anders reiste. Aber sie waren mir ein guter Anhaltspunkt. Als es dann soweit war und ich meine Sachen packte, nahm ich mir dafür einige Stunden Zeit. In meinem Schlafzimmer befanden sich mehrere Stapel mit Kleidungsstücken. Ich legte etwas dazu, nahm etwas weg, zählte, packte ein und packte aus. Mit Hilfe wasserdichter kleiner Packsäcke, die ich entsprechend beschriftete, entwarf ich mir ein System, welches ein schnelles Wiederfinden in den Tiefen des Rucksacks möglich machte. Welche Dinge sich letztlich in meinem Rucksack befanden, beschreibe ich in Kürze in einem separaten Artikel. Gesondert werde ich auch über die Impfungen, die ich für notwendig erachtete und mir in einem Zeitraum von über einem Jahr geben ließ, berichten. 

Meine Wohnung kündigte ich zum 31. April 2022. In den Monaten zurvor packte ich bereits den einen oder anderen Karton und trennte mich von manch altem Staubfänger in den Schränken und Schubläden. Die Osterferien erkor ich bereits im Vorfeld zur großen Umzugszeit aus. Dankenswerterweise konnte ich auf die Hilfe von Familie und Freunden zählen, die beim Be- und Entladen der Kartons und des Transporters sowie beim Entleeren der Wohnung und Entrümpeln des Dachbodens halfen. Einige Möbel und Kleidungsstücke wurden entsorgt, andere gut verpackt und eingelagert oder einfach verschenkt. In den letzten drei Monaten wohnte ich, ohne Straße und Hausnummer nennen zu wollen, bei wirklich wunderbaren Menschen in einem ebenso traumhaften Dörfchen. Dorthin hatte ich lediglich ein paar Kleidungsstücke, Dinge und Unterlagen mitgenommen, die ich beruflich oder ehrenamtlich noch benötigte oder sortieren wollte. Der Auszug aus meiner Wohnung, in der ich zehn Jahre lebte, war wieder einer jener kleinen aber markanten Momente, die mir bewusst machten, dass die Zeit des Abschieds näherrückte. Apropos Abschied. Die letzten Monate waren von vielen kleinen und großen Abschieden oder „letzte-Mal-Momenten“ geprägt. Oft war es ein komisches Gefühl zu wissen, dass man Personen und Orte für längere Zeit nicht mehr sehen, an diversen Ereignissen nicht mehr teilnehmen, liebgewonnene Gewohnheiten nicht mehr genießen oder schöne Momente mit guten Menschen nicht mehr teilen kann. 

Beispielsweise gab es den Abschied von liebgewonnenen Schüler*innen und Kollegen*innen, der mir verdeutlichte, dass ich mit meiner Art Lehrer zu sein, größtenteils recht gut ankam. In einem vorherhergehenden Blogeintrag betonte ich ja bereits, dass mir meine Arbeit meist viel Freude bereitete und ich im Lehrersein eine Berufung fand. Es waren lediglich die Rahmenbedingungen und einige wenige Menschen, die jene Freude gelegentlich drübten oder eine unnötige Unzufriedenheit kreierten. 

Während bei meinem Gegenüber in solchen Abschiedsmomenten oft die Tränen kullerten, vergoss ich deren keine oder nur wenige. Gewiss waren viele jener Augenblicke auch für mich emotional aber ich konnte besagte Emotionen oft nicht zeigen, was wahrscheinlich daran lag, dass ich bis zum Abreisetag gut beschäftigt war und kaum Zeit fand, das Erlebte Revue passieren zu lassen.

Ein besonderer Abschied war der von meinem Herzens- und Lieblingsvereins Fortuna Griesheim. Das letzte Spiel, die Saisonabschlussfeier, das 90-jährige Vereinsjubiläum und schließlich die Mitgliederversammlung, auf der ich mein Engagement offiziell beendete. Auf letzt genannter Veranstaltung flossen dann auch bei mir ein paar Tränen. 20 Jahre hatte ich für diesen Verein gelebt, der dabei ein ganz großer und wichtiger Bestandteil meines Lebens wurde.

Im Juni feierte mein Fußballverein SV Fortuna Griesheim sein 90-jähriges Bestehen. Anlässlich der Geburtstagsfeier hielt ich eine Festrede.

In den letzten Tagen vor meiner Abreise beantragte ich noch einen internationalen Führerschein und meldete schließlich meinen Wohnsitz in Deutschland ab.

Der Internationale Führerschein ist laut ADAC kein eigenständiger Führerschein, sondern ein Zusatzdokument zum nationalen Führerschein und ist nur in Verbindung mit diesem gültig.

Um mich von Familie und Freunden ordentlich zu verabschieden, lud ich eine Woche vor meiner Ausreise zu einem Lebensfest. Da ich nicht wusste, wann und ob ich zurückkehren werde (einen Urlaubsbesuch ausgenommen), wollte ich mit mir lieb gewonnenen Menschen das Leben, die Freundschaft und die Liebe feiern. Ein wunderbarer Abend – mit Tränen des Abschieds aber hauptsächlich mit schönen Gesprächen, fröhlichen und wertvollen sowie von Lachen geprägten Augenblicken.

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