Unter all den wunderschönen Kontinenten, die diese traumhafte Welt zu bieten hat, ist mir Afrika der Liebste. 2004 besuchte ich ihn zum ersten Mal, als ich für vier Wochen bei einer Gastfamilie in Südafrika lebte. Seither war der zweitgrößte Kontinent der Erde für mich immer mal wieder Ziel der einen oder anderen unvergesslichen Reise. Warum mich dieser Kontinent so sehr in seinen Bann zieht, darauf habe ich keine einfache oder kurze Antwort. Zumal das dieser Kontinent mit seinen 55 Ländern, mehr als 3000 verschiedenen Bevölkerungsgruppen und zirka 2000 Sprachen auch nicht wirklich zulässt. Möglicherweise liegt in eben erwähnten Dingen schon ein Teil der Antwort. Dieser Kontinent ist nicht nur sonnig, heiß und staubig – nein, er ist vielmehr. Er ist bunt, voller Kontraste, bietet atemberaubende Naturwunder und eine unglaubliche kulturelle Vielfalt. Und das Beste an ihm sind die Menschen. Letzteres habe ich natürlich jetzt total verallgemeinert. Möglicherweise ist es besser, wenn ich sage, es sind die Menschen, die ich bereits kennenlernen durfte. Diese waren stets herzlich, hilfsbereit und gastfreundlich.
Im siebten Monat meiner Weltreise führte mich mein Weg von Australien über Katar nach Tunesien. Das nordafrikanische Land am Mittelmeer sollte für mich ein schönes Wiedersehen bereithalten. Doch dazu später mehr.
Ich landete also am 15. Februar in der Hauptstadt Tunis. Hier hatte ich mir für die ersten Tage eine sehr einfache Unterkunft in der Nähe der Medina, der Altstadt, gebucht. Nicht nur jene war aufgrund ihrer Schlichtheit, des mäßigen Zustandes und des nicht englischsprechenden Personals gewöhnungsbedürftig, sondern auch das hektische Treiben auf den meist sehr dreckigen Straßen. Wer glaubt, dass Tunesien Afrika ist, hat geographisch natürlich recht, doch das Land würde ich nicht primär als afrikanisch bezeichnen. Für mich ist eher arabisch. Damit habe ich wahrscheinlich auch nicht Unrecht, zumal man behauptet, dass das wahre Afrika, erst unterhalb der Sahara beginnt. Selbst ein Tunesier bestätigte mir lachend diesen eher nett gemeinten Eindruck.
Tatsächlich vereint Tunesien die unterschiedlichsten Einflüsse. Die Geschichte des Landes beruht auf einer Mischung aus Afrika, dem Orient und dem Okzident, umgangssprachlich als Abendland bekannt. Beispielsweise findet man spanische Architektur, osmanische Motive auf den Keramiken von Kairouan, mit Marmor im italienischen Stil dekorierte Mausoleen, römische Ruinen, arabische Musik und viele französisch sprechende Menschen. Letzteres hat seinen Ursprung in der Kolonialzeit. So lebten einst viele Franzosen, aber auch Spanier und Italiener in Tunesien, mehrheitlich in Tunis. Aufgrund jener Geschichte und der europäischen Einflüsse ist der Kontrast zwischen orientalischer Altstadt und europäischer Neustadt auch so stark und bei einem Bummel durch die Hauptstadt ganz gut zu erkennen.
Was mich an Tunesien beeindruckte, waren die Stätte und Monumente längst vergangener Zeiten. Sage und schreibe sieben von ihnen gehören zum Weltkulturerbe der Unesco: Karthago, Dougga, El Jem und Kerkouane sowie die Medinas von Tunis, Kairouan und Sousse. Einige der aufgezählten Orte besuchte ich beziehungsweise wir. Wir? Ja, genau. Ich erwähnte bereits ein schönes Wiedersehen. Dieses Wiedersehen war seit ein paar Monaten geplant und einfach sehr besonders. Am 18. Februar besuchten mich Horst, einer meiner besten Freunde, und mein Zwillingsbruder Tony. Dass Tunesien der Ort unseres Wiedersehens wurde, hatte einen speziellen Grund. Schon vor ein paar Jahren fragte mich Horst, ob ich mit ihm nach Tunesien reisen würde. Dort liegt, auf einem Soldatenfriedhof in Tunis, sein Onkel begraben, der im Zweiten Weltkrieg im Afrika-Feldzug sein Leben verlor. Horst hegte seit vielen Jahren den Wunsch, das Grab zu besuchen, was bisher keinem Familienmitglied gelungen war. Meine Antwort war natürlich ja, zumal ich mit Horst bereits 2017 eine wunderschöne Reise nach Marokko unternahm. Als ich auf Weltreise war, sprachen wir am Telefon erneut über dieses Unterfangen und machten schließlich Nägel mit Köpfen. Da Tony mich auch unbedingt wiedersehen wollte, schloss er sich diesem Unternehmen an. Während sich die Beiden um den Flug kümmerten, entwarf ich ein kleines Reiseprogramm, was einige der wichtigsten und schönsten Sehenswürdigkeiten beinhaltete, und kümmerte mich um die Unterkünfte. Letztere waren für die gemeinsame Zeit natürlich nicht im Low-Budget-Level angesiedelt, zumal ich Horst und meinem Bruder (besonders ihm) versprechen musste, einen gewissen (europäischen) Standard zu gewährleisten ;-). Unterkünfte wie ich sie einst in Südostasien hatte, waren meinen beiden Kompagnons dann doch zu abenteuerlich.
Unsere gemeinsame Zeit begann, wie oben erwähnt, am 18. Februar. Ich stellte das Ein-Mann-starke Begrüßungskomitee am Flughafen und am späten Nachmittag liefen wir bereits durch die Medina von Tunis mit ihren geschäftigen Souks. Während Horst und ich das lebendige sowie traditionelle Treiben schon aus Marokko kannten, war es für Tony weitestgehend Neuland und eine zunächst unbekannte Welt. Eine Welt reich an Geschichte und mit alltäglichem Leben gefüllt. Sie ist mittelalterlich, orientalisch und birgt viele historische Gebäude mit prächtigen bunten Toren, zahlreiche Souks mit unendlich vielen Handwerksbetrieben, malerische Viertel mit engen geschäftigen Gassen, kleine Kaffeehäuser, schöne Restaurants, beeindruckende Moscheen und Paläste. Spaziert man durch diesen Teil der Stadt sollte man keine Eile haben, da es viel zu entdecken gibt. Auch wenn die Händler natürlich ein Geschäft abschließen wollen und man deshalb ständig angesprochen wird, teilweise sehr hartnäckig, versprüht die Medina einen Zauber, den man genießen und auf sich wirken lassen sollte. Beispielsweise bei einem Minztee auf einer der Dachterrassen, die einen wundervollen Blick auf die Stadt bieten.
Völlig zurecht wird die Medina, seit 1979 UNESCO Weltkulturerbe, als das Herz von Tunis bezeichnet und ist ein absolutes „Must See“. Hier besuchten wir auch die gewaltige Ez-Zitouna-Moschee. Sie ist die größte Moschee der Stadt und stammt ursprünglich aus dem 9. Jahrhundert. Das viereckige Minarett, man erkennt es bereits von Weitem, entstand allerdings erst im 19. Jahrhundert. Besonders freitags zieht es tausende Menschen in die Gassen der Medina. Der Grund hierfür ist das Freitagsgebet. Dann ist das Gedränge groß, vor und in den kleinen Läden tummeln sich zig Leute. Die Händler laufen zur Höchstform auf. Sie bieten den Touristen Souvenirs, handgefertigte und farbenfrohe Keramiken, Textilien, Silberschmuck, Lederarbeiten, orientalische Parfum-Essenzen und vieles mehr. Kleiner Tipp am Rande: Handeln ist ein Muss. Oft werden die Waren viel zu überteuert angeboten. Die Hälfte des genannten Preises ist eine gute Ausgangslage für das nervige aber gewollte Verhandlungsgespräch.
Der Ausgang eines Souks führte in den Place de la Victoire. Ein beliebter Treffpunkt mit Cafés und Hotels, die meisten am Anfang des 19. Jahrhunderts im Kolonialstil errichtet. Hier steht das Tor „Bab El Bhar“, auch Porte de France gennant.
Es war ein Teil der mittelalterlichen Befestigung und trennt die Altstadt von der Neustadt. Letztere mit ihren modernen Stadtvierteln wurde während der Kolonialzeit angelegt. Hier besuchten wir die römisch-katholische Kathedrale „Heiliger Vinzenz von Paul“.
Sie steht auf dem Boulevard Habib Bourguiba, einer Promenade mit teuren Boutiquen und Geschäftshäusern. Immer noch begegnet man hier schwer bewaffneten Sicherheitskräften. Die Straße war während der tunesischen Revolution 2010/11 einer der Hauptschauplätze der großen Demonstrationen.
Einige Kilometer außerhalb der tunesischen Hauptstadt besichtigten wir die Ruinen von Karthago. Jene sind Weltkulturerbe und erinnern an eine Zeit, als Tunesien das Zentrum einer Weltmacht war – Karthago, gegründet im 8. Jahrhundert vor Christus. In der Antike eine der größten Metropolen, die sich im Laufe der Zeit zu einer bedeutenden See- und Handelsmacht entwickelte. Zudem war dieses Imperium oft Schauplatz von Kämpfen – meist gegen die Römer. Letztere zerstörten die Stadt, bauten sie anschließend unter Julius Cäsar wieder auf. Der Ruinenkomplex, er erstreckt sich über mehrere Kilometer, war beeindruckend und glich einem Geschichtsbuch zum Anfassen. Meist waren wir zu Fuß unterwegs, um die Ruinen von Villen und Bädern mit ihren schönen Mosaiken und Gemälden, das Aquädukt, das Theater und andere Gebäude zu sehen.
Einen Abstecher machten wir nach Sidi Bou Said, einer besonderen Stadt ganz in der Nähe von Karthago. Sie liegt auf einem Hügel und ist durch ihren architektonischen Stil bekannt geworden. Die weißen Häuser mit ihren blauen Türen und Fenstern sind eine Kombination aus arabischen und andalusischen Stilen. Ein Stadtbummel durchaus lohnens- und empfehlenswert.
Wie bereits erwähnt, war es der Wunsch meines Freundes Horst, die Kriegsgräberstätte Bord Cedria zu besuchen, liegt hier doch sein Onkel Helfried begraben. Der Friedhof befand sich etwa 25 Kilometer östlich von Tunis. Hier ruhen 8564 deutsche Soldaten, die bei den Kämpfen von November 1942 bis Mai 1943 in Tunesien oder in anschließender Gefangenschaft starben. Die meisten von ihnen waren nicht einmal 23 Jahre alt. So auch Helfried Hunger. Während seiner Zeit in Nordafrika führte er ein kleines Tagebuch, aus welchem hervorgeht, dass er am 23. Dezember 1942 nach Neapel aufbrach, am zweiten Weihnachtsfeiertag vom Hafen in Palermo ablegte und einen Tag später Tunis erreichte. Um einen kleinen Einblick in die letzten Tage seines Lebens zu geben, folgt an dieser Stelle ein Eintrag vom 17. Januar. Hier berichtet er ausführlich über ein Vorkommnis: „Am Passeingang feindliches Feuer von SMG-LMG und Granatwerferfeuer. Ein weiteres Vorgehen nicht möglich war. Durch Abschüsse von Leuchtkugeln macht eigene Artillerie einen Feuerüberfall, um uns aus dem feindlichen Feuer wieder herauszuholen. Das Spähtruppunternehmen verlief ohne Verluste. Rückkehr 23 Uhr.“ Seine Eintragungen enden am 21. Januar 1943. Acht Tage später, am 29. Januar, stirbt er. Über die genauen Umstände seines Ablebens ist nichts bekannt. Ein trauriges Schicksal unter Tausenden. Der Besuch des Soldatenfriedhofs stimmte uns nachdenklich. Dieser Krieg, angezettelt von einem machtbesessenen wahnsinnigen Diktator, war so furchtbar wie sinnlos. Obwohl man meinen sollte, dass die Menschen aus dieser Zeit der Geschichte etwas gelernt haben müssten, machen heutige Generationen immer wieder ähnliche Erfahrungen. Nach wie vor gibt es Diktatoren, denen ein Menschenleben, solange es nicht ihr eigenes ist, nichts bedeutet oder nur ein geeignetes Mittel zum Zweck darstellt. Leider. Nun ja, immerhin gibt es solche Gräberstätten wie in Tunis, die mahnend in die Landschaft weisen und damit hoffentlich einen Beitrag für eine friedvollere Zukunft leisten. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Nach unseren Tagen in der Hauptstadt zog es uns nach Sousse. Die Fahrt mit dem Zug, der in Deutschland höchstwahrscheinlich durch jede TÜV-Untersuchung fallen würde, war etwas abenteuerlich und langwierig – besonders die Rückfahrt einige Tage später.
Sousse ist, im Vergleich zu Tunis, eine recht saubere und wirklich schön gelegene Stadt am Mittelmeer mit kilometerlangen Sandstränden und klarem Wasser. Sehenswert ist die alte Medina, die mit ihren Souks, Cafehäusern und Moscheen sowie der gut erhaltenen Stadtmauer einen sehr ursprünglichen und angenehmen Charme besitzt. Auch hier kann man viele Stunden in kleinen farbenfrohen Geschäften mit Feilschen, Kaufen und dem Probieren von kulinarischen Köstlichkeiten verbringen.
Von Sousse fuhren wir mit einem der vielen öffentlichen Kleinbusse nach Kairouan, der spirituellen Hauptstadt Tunesiens. Nach Mekka, Al Madina und Jerusalem gilt sie als die viertheiligste Stadt des Islam. Zur Zeit der Aghlabiden, sie waren die erste bedeutende muslimische Dynastie Tunesiens, entwickelte sich der einst kleine Ort zu einer angesehenen Universitätsstadt. Aus diesem Zeitalter, zirka 800 bis 900 nach Christus, sind einige Monumente erhalten geblieben, die wir – Tony, Horst und ich – natürlich besichtigen. Beispielsweise die Große Moschee, die sich durch ihre festungsgleichen Außenmauern von modernen Moscheen unterscheidet. Auch dem Sidi Sahab Mausolem mit der Grabstätte eines Gefährten des Propheten Mohammed sowie den Aghlabiden-Zisternen, welche die Stadt einst mit Wasser versorgten, statteten wir einen Besuch ab.
Einen Tag später führte unser Weg nach El Jem, einer ehemaligen Römerstadt, die früher Thysdrus genannt wurde und einen wichtigen Punkt auf den Handelsrouten darstellte. Dort sahen wir uns ein außerordentlich gut erhaltenes Amphitheater und ein tolles archäologisches Museum mit römischen Mosaiken, die aus alten Römervillen der Region stammen, an. Das Amphitheater ist zweifellos das Wahrzeichen des heute ruhigen Städtchens und Zeuge einer glorreichen Vergangenheit. Bis zu 35.000 Zuschauer verfolgten einst, auf steilen Tribünen sitzend, die Gladiatorenkämpfe und Wagenrennen. Das Kolosseum, das drittgrößte Bauwerk der Römer, mit Ruhe und zu Fuß zu erkunden, hatte für mich etwas Abenteuerliches. Im Nachhinein betrachtet war der Besuch von El Jem eine unglaublich schöne und interessante Zeitreise.
Apropos Zeit. Diese verging wie im Fluge und am 25.Februar verabschiedete ich mich nach einer gemeinsamen, kurzweiligen und erlebnisreichen Woche von meinem Bruder Tony sowie meinem Freund Horst. Während sie nach Deutschland zurückkehrten, verbrachte ich noch einen weiteren Tag in Tunis. Ein letztes Mal schlenderte ich durch die Medina, um deren orientalische Atmosphäre aufzusaugen. Der Abschied von diesen Beiden sollte bei mir innerlich auch noch etwas nachwirken, hatten wir doch wirklich wunderbare Tage miteinander verbringen dürfen, an denen das Lachen und der Spaß nie zu kurz kamen. An dieser Stelle: Vielen Dank, ihr beiden, für einen weiteren wunderschönen Abschnitt meiner Weltreise.
Am Sonntag, dem 26. Februar, packte auch ich meinen großen Rucksack und flog von Tunis über Doha zum Kilimanjaro-Airport nach Tansania.
Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
Das war wirklich eine sehr schöne gemeinsame Zeit in der wir echt viele neue,beeindruckende, traurige, bedenkliche aber auch schöne Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt haben.
Meine größte Erkenntnis: Uns geht es verdammt gut in Deutschland und wahrscheinlich im Großteil von Europa. Wer jammert sollte mal nach Afrika.
Es war eine super Woche in der wir viele Dinge gesehen und erlebt haben, die meinen Horizont wieder ein Stück weit erweitert haben. Es sollte viel mehr über die Umstände und Verhältnisse in diesen Ländern berichtet werden, um zu verstehen, warum viele Menschen ihre Heimat verlassen wollen.