Eine Reise durch Vietnam – Teil 2
Im ersten Blogeintrag über meine Vietnamreise berichtete ich von meinen Erlebnissen im Norden des Landes, speziell von der Besteigung des 3143 Meter hohen Fansipan sowie von den Menschen und deren Kultur in und um Sapa. Während meines dreiwöchigen Aufenthaltes besuchte ich natürlich noch weitere sehenswerte Orte. Da Vietnam nicht nur ein sehr facettenreiches sondern auch ein ziemlich langgezogenes Land ist, war die Planung der Reiseroute eine größere aber keineswegs unlösbare Aufgabe.
Um die Größe des Landes zu verdeutlichen, folgen an dieser Stelle mal ein paar Zahlen. Während die Nord-Süd-Ausdehnung etwa 1650 Kilometer beträgt, zählt die Ost-West-Breite bis zu 600 Kilometer. Die schmalste Stelle in Mittelvietnam ist nur 50 Kilometer breit und die Küstenlinie hat eine Länge von über 3400 Kilometern. Es gibt Züge und Busse, die teilweise 15 oder 20 Stunden zwischen den Städten benötigen. Aus diesem Grund hatte ich mich auch für zwei Inlandsflüge entschieden. Preislich machte dies kaum einen Unterschied, war manchmal sogar die billigere Variante und ersparte mir mehrere Transfertage. Aber nun von vorn.
Die Einreise nach Vietnam verlief problemlos. Ich überquerte die kambodschanisch-vietnamesische Grenze mit dem Bus aus Phnom Penh kommend. Zielort: Ho-Chi-Minh-Stadt, auch noch heute gern als Saigon bezeichnet. Der erste Eindruck, den ich von dieser Millionenmetropole erhielt, war ein chaotischer. Das lag natürlich am Straßenverkehr. Nie zuvor hatte ich in einer Stadt so viele Roller/Motorräder gesehen. Im Gegensatz dazu sind Autos ja eher eine Seltenheit. Allein das Überqueren der Straße stellt ein echtes Abenteuer dar. Auf den ersten Blick scheint es unmöglich und durchaus etwas lebensmüde. Doch dieses Verkehrsgewimmel hat durchaus Methode. Sobald man sich vorwärts über die Straße bewegt, schlängelt sich der Verkehr wie ein Fischschwarm um einen herum. Einen Tipp sollte man aber unbedingt beachten: nur nicht zögerlich stehen bleiben oder gar rückwärts gehen. Mit Letzterem rechnen die Auto- und Motorradfahrer nicht.
Ein Beispiel für den „Rollerverkehr“ in Saigon.
Da ich solchen Großstädten nicht sonderlich viel abgewinnen kann, verbrachte ich lediglich zwei Nächte in Saigon. Auf meiner „To-Do-Liste“ stand hier der Besuch der Cu-Chi-Tunnel. Während des Indochina-Konflikt wurden sie vom Vietcong in den 1940er Jahren als Schutz vor französischen Luftangriffen erbaut. Allein in der unmittelbaren Umgebung von Ho-Chi-Minh-Stadt erstrecket sich dieses Tunnelsystem über 250 km unter der Erde. Auch während des Vietnamkrieges nutzte der Vietcong dieses Netzwerk unterirdischer Durchgänge. Beispielsweise waren hier Wohnräume, Krankenhäuser, Lager und Sprengfallen untergebracht.
Während wir Geschichten über den amerikanisch-vietnamesischen Krieg hörten, erkundeten wir das unterirdische System. Ich muss allerdings zugeben, dass dieser Ausflug für mich etwas Befremdliches hatte. Warum? Während das Betrachten alter Lagerräume noch in Ordnung war, hatte das Kopf durch getarnte Falltüren stecken und durch militärische Versorgungstunnel kriechen etwas Eigenartiges. Richtig skurril wurde es, als wir durch den Dschungel liefen und aus der Ferne Schüsse hörten. Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man auf die Idee kommen können, dass der Krieg wieder ausgebrochen sei. Nach ein paar Minuten sah ich des Rätsels Lösung. Es war ein Schießstand inmitten des Geländes. Hier konnte man sich mit einer AK-47 ausprobieren. Ich möchte es mal überspitzt formulieren: man konnte für ein paar Dollar Krieg spielen. Für dieses „Erlebnis“, wie es diverse Tourenanbieter formulieren, fehlt mir nach wie vor jedes Verständnis. An einem Ort, an dem Menschen ihr Leben verloren, wird heute aus meiner Sicht völlig sinnfrei herumgeballert. Sorry, liebes Vietnam, diese Form der Erinnerungskultur kann ich nicht verstehen. Einer Gedenkstätte zur Erinnerung an die Gefallenen könnte ich durchaus mehr abgewinnen. Dieser Blick in die Vergangenheit Vietnams war gewiss interessant aber letztlich sehr skurril.
Hanoi war nach einem Inlandsflug die nächste Station auf meiner Reise. Neben dem bunten Treiben hatte die Hauptstadt einige schöne Sehenswürdigkeiten, bunte Märkte und leckeres Streetfood zu bieten. Im Vergleich zu Saigon war Hanoi für mich die schönere Stadt, weil älter, charmanter, interessanter und klimatisch etwas kühler 😉
Ein Highlight stellte für mich der Besuch des weltberühmten Thang Long Wasserpuppentheaters dar. Hier erlebte ich eine einzigartige Kunstform, die vor über 1000 Jahren entstand. In einer Zeit, in der Reisfelder überflutet waren und die Dorfbewohner anfingen, im hüfttiefen Wasser Puppenshows aufzuführen. Mit dem Wasserpuppenspiel wurde einst das tägliche Leben der Dorfbewohner dargestellt, wie die Fischerei, der Landbau oder Liebesgeschichten. Heute präsentiert man alte vietnamesische Legenden und Geschichten.
Lasst die Wasserpuppen tanzen 😉
Einmal in Hanoi zu Gast, empfehle ich den Besuch der „Train Street“. Das ist eine winzige schmale Gasse, versteckt in einer der vielen Seitenstraßen und umgeben von schmalen hohen Häusern, die eng miteinander verbunden sind. Die Eisenbahnschiene, auf der ein paar Mal am Tag der Zug vorbeifährt, stellt quasi die Hinterhöfe der dort lebenden Familien dar. Der Grund, warum diese Straße für Touristen so interessant ist, ist, dass der Zug buchstäblich einen Meter von den Häusern entfernt fährt. Dieses kurze aber imposante Spektakel kann man in einen der vielen Cafés, die sich entlang der Bahnstrecke befinden, bestaunen. Man sitzt nur einen Meter von den Gleisen entfernt. Kündigt sich der Zug an, werden Tisch und Stühle schnell beiseite geräumt und man bringt sich in Sicherheit, indem man sich an die Häuserwände anlehnt oder einen Ort im Obergeschoss wählt, um eine höhere Perspektive auf den vorbeifahrenden Zug zu erhalten.
Der Zug kommt…
Im Zentrum Hanois liegt auch der Hoan-Kiem-See mit dem „Temple of the Jade Mountain“. Abseits der hektischen Innenstadt mit den Millionen Rollern ist dieser Ort eine Oase der Ruhe. Der Legende nach soll hier ein vietnamesischer Volksheld vor einigen hundert Jahren gegen die Chinesen gekämpft haben. Sein Schwert fand er beim Fischen im See. Als er Jahre später mit diesem Schwert zurückkehrte, stieg eine riesige Schildkröte aus dem Wasser und nahm es an sich. Es wird erzählt, eine solch große Schildkröte würde immer noch in diesem See schwimmen. Tatsächlich existierten in diesem See einst riesige Schildkröten, die sich zu Lebzeiten einen legendären Ruf erworben hatten. Zwei von ihnen sind heute einbalsamiert und im Tempel ausgestellt.
Ich könnte die Liste, der Sehenswürdigkeiten und Orte, die ich in Hanoi zu Fuß erkundete, noch weiter fortsetzen, würde aber diesen Rahmen sprengen. Vielleicht noch so viel: zahlreiche fliegende Händler ziehen durch die Straßen der Hauptstadt, manche mit unzähligen bunten Luftballons, Kuscheltieren oder sonstigem Kitsch und andere wiederum mit frischem Obst oder Gebäck. Aus den offenen Garküchen, an denen sich zu den Mahlzeiten zahlreiche Gäste auf viel zu kleinen Plastikstühlen sammeln, strömen verführerische Gerüche, die sich mit den Abgasen der unzähligen vorbeisausenden Roller vermischen. In den Gassen der Altstadt gibt es eigentlich jeden Abend etwas zu erleben: Modenschauen, Konzerte, Tanz- und Theatervorführungen. Tausende strömen durch die schmalen Gassen, auch Motoroller quälen sich durch die Menschenmassen. Die Altstadt Hanois wirkte auf mich rastlos, hektisch, wild, laut und manchmal etwas stinkig, trotzdem konnte ich ihr etwas Charmantes und Begeisterndes abgewinnen.
Nach meinen erlebnisreichen Tagen in Sapa (davon berichtete ich im letzten Blogeintrag) machte ich mich mit dem Bus auf den Weg nach Halong Bay. Die „Bucht des untertauchenden Drachen“ im Nordosten Vietnams ist UNESCO-Weltnaturerbe. In diesem rund 1.500 km² großen Gebiet ragen nach offiziellen Angaben 1969 Kalkfelsen aus dem Wasser. Diese zumeist unbewohnten Felsen und Inseln sind teilweise mehrere hundert Meter hoch. Wie die meisten Touristen buchte ich hier eine Schiffstour, denn anders kann man die riesengroße und fast unüberschaubare Bucht nicht erkunden. Eine Legende erzählt, dass ein Drache die Bucht erschuf, als er mit seinem Schwanz tiefe Furchen in das Land gezogen hatte. Übrigens wird der Drache als ein heiliges Tier angesehen, der unter anderem für Weisheit und Glück steht. Von den Königen wurde er einst als Machtsymbol eingesetzt. Noch immer hat er für viele Vietnamesen eine besondere Bedeutung und sein Symbol ist an vielen wichtigen Monumenten platziert.
Auf diesem Tagesausflug traf ich wieder einmal sehr nette Menschen, beispielsweise Kiet und Tran aus Hanoi, Steph von den Philippinen oder Ryosuke aus Tokio in Japan. Manche von ihnen und weitere Schiffsgäste kam auf mich zu und baten mich um ein Foto, da sie meinten, dass ich Ähnlichkeit mit einem berühmten Fußballer hätte. Als sie mir sagten, dass ich wie David Beckham aussehen würde, musste ich lachen. Bisher wurde mir eine gewisse Ähnlichkeit zu David Villa, einem ehemaligen spanischen Nationalspieler nachgesagt, aber mit Beckham wurde ich bisher nie verglichen. Wie auch immer, ich fand dieses kleine Fotoshooting recht amüsant. Noch schöner waren aber die sich daraus ergebenden Gespräche, das miteinander Lachen und das gemeinsame Erleben kleinerer Highlights während des Ausfluges (z.B. das Kajakfahren, das Erkunden einer unglaublich schönen und riesigen Höhle, das Wandern auf die Spitze eines Karstfelsen oder das Schwimmen in der Halong-Bucht).
Nur wenige Stunden von dieser eindrucksvollen Meereslandschaft entfernt liegt Tam Coc. Das kleine im nördlichen Zentralvietnam gelegene Örtchen bedeutet zu deutsch „Drei Höhlen“. Für mich war Tam Coc unter anderem Ausgangspunkt für eine Bootstour durch eine Landschaft, die an die der Halong-Bucht erinnerte. Denn die etwa 90-minütige Fahrt mit einem Ruderboot führte wieder durch eine beeindruckende Karstfelsen-Landschaft. Nur, dass diese nicht aus dem Meer ragten, sondern Teil einer bergigen Landschaft mit Reisfeldern, Tälern, einem weit verzweigten Fluss-System und eben jenen drei Höhlen waren, die Tam Coc den Namen gaben. Das Besondere an dieser Fahrt war nicht nur die Landschaft, sondern auch der Fakt, dass die Bootsführer(innen) ihre Boote mit den Füßen ruderten. Nachdem wir auch die letzte Höhle passierten, übrigens war das Kopf-Einziehen an manchen Stellen notwendig, erreichten wir einen Wendeplatz. Hier lauerten etliche aufdringliche Händlerinnen mit ihren gut gefüllten Booten, um den Touristen Getränke und Snacks anzubieten. Ich lehnte ab, woraufhin mich die unermüdliche Händlerin bat, etwas für meine Bootsführerin zu kaufen. Noch bevor ich nein sagen konnte, hatte sie eine paar Dinge ihrer Freundin übers Wasser gereicht. Da ich nicht unfreundlich sein wollte und die Konsumgüter kein Vermögen darstellten, betrachtete ich diesen Kauf als kleines Trinkgeld für die schweißtreibende Rudertätigkeit. Doch als die Bootsführerin jene Sachen ein paar Meter weiter eintauschte und etwas Geld kassierte, war ich doch ziemlich verärgert. Auf dem Weg zurück hielt sie irgendwann an, öffnete eine Box und wollte mir irgendwelche (für mich) sinnfreien Souvenirs verkaufen. Das lehnte ich noch relativ freundlich aber doch sehr bestimmt ab. Wütend wurde ich, als sie noch vor dem Erreichen des Anlegers hartnäckig Trinkgeld einforderte. Ich erinnerte sie an ihr unverschämtes Spielchen am Wendepunkt und der Rest meiner Antwort war, soweit ich mich erinnern kann, nicht nett aber halt einfach ehrlich.
Einen Besuch stattete ich der nur wenige Kilometer südwestlich von Tam Coc auf einem Kartsberg gelegenen Bich-Dong-Pagode ab.
Zur Erläuterung: eine Pagode ist ein Turm mit vielen Vorsprüngen zwischen den einzelnen Etagen. Die Vorsprünge sehen aus wie kleine Terrassen. Buddhisten bewahren hier oft Reliquien (Heiligtümer) auf. Häufig sind Pagoden Teil eines Klosters oder einer Tempelanlage. Die Bich-Dong-Pagode ist deshalb sehenswert, da sie aus drei Einzel-Pagoden in unterschiedlichen Höhenlagen besteht. Die für mich Schönste war die auf der mittleren Stufe, wurde sie doch in den Berg gehauen und befand sich in einer Höhle.
Hier noch eine kleines Erlebnis: auf dem Vorplatz dieses tollen Tempelkomplexes erwarteten den unwissenden Tourist nicht nur ein paar Souvenirläden und ein kleines aber feines Restaurant, sondern auch eine ziemlich dreiste Frau. Allen Touristen, die mit irgendeinem Fortbewegungsmittel zur Pagode fuhren, schrie sie das Wort „Parking“ entgegen und zeigte auf einen Ort, an welchem sie ihrer Meinung nach parken müssten.
Ich ignorierte diese unfreundlich kreischende Frau als ich ankam und parkte vor dem besagten Restaurant. Der freundliche Besitzer des kleinen Restaurants erklärte mir, dass man hier überall parken könne und sie mit dieser Masche lediglich den Touristen das Geld aus der Tasche ziehe. Während ich nach meiner Tempelbesichtigung dort zu Mittag aß und das dreiste aber raffinierte Spielchen der Parkplatzwächterin begutachtete, spürte ich das Verlangen diesem Treiben etwas Würze zu verleihen. Den nach dem ersten Parking-Schrei verwirrt dreinschauenden Touristen (viele waren so verdutzt, dass sie auf der Stelle umkehrten) rief ich zu: „Parking here, for free“. Der Gesichtsausdruck der Frau zeigte mir, dass sie damit definitiv nicht gerechnet hatte. Einige Minuten später, als ich das leckere Essen verspeist und etliche Touristen vor der Abzocke bewahrte, ging ich zu der Frau und teilte ihr mit, dass ich ihr Verhalten unmöglich, frech und respektlos finde. Verstehen konnte sie mich wahrscheinlich nicht, denn die meisten Vietnamesen sprechen schlecht oder gar kein Englisch. Der Besitzer des kleinen Restaurants fand es nicht nur amüsant, sondern unterstützte mein Tun mit ein paar Worten.
Normalerweise ist das nicht meine Art Menschen zu zeigen, dass ich ihr Verhalten missbillige, zumal es mir ja egal sein könnte. Auch wenn die meisten Vietnamesen eher bescheiden leben und für ihren Lebensunterhalt hart arbeiten müssen, mag ich es nicht, wenn man Menschen, ob wohlhabender Tourist oder nicht, täuscht, in die Irre führt oder gar betrügt. Übrigens mögen die meisten Einheimischen dieses ungehörige Verhalten ihrer Landsleute ebenso nicht. In meinen zahlreichen Gesprächen mit jungen aber auch älteren Vietnamesen verurteilten sie dieses und anderes abartiges Verhalten. Dazu noch ein Beispiel. Während meiner Abendspaziergänge in Saigon und Hanoi quatschten mich öfters irgendwelche seltsam ausschauenden Männer an und fragten mich, ob ich Drogen kaufen oder etwas Spaß mit einer Frau haben möchte. Für letzteres zeigen sie auf ihrem Handy ganz schnell ein Foto, auf welchem eine leicht bekleidete Frau zu sehen war. Doch Vietnam stellte nicht das einzige Land dar, in welchem ich solche Angebote auf offener Straße bekam. In Thailand und Kambodscha erlebte ich Selbiges. Doch diese sonderbaren Offerten sollen keineswegs diese wunderbaren Länder in ein schlechtes Licht rücken. Wie überall auf der Welt beziehungsweise in jedem Land gibt es ein paar schwarze Schafe, Taschendiebe und Trickbetrüger.
Zurück zu meiner Rundreise durch die südostasiatische sozialistische Republik.
Ein weiteres Ziel war die alte Kaiserstadt Hue in Zentralvietnam. Zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert herrschte hier die Nguyen-Dynastie. Die etwa 350.000 Einwohner fassende Stadt war von 1802 bis 1945 die Hauptstadt des Landes und Sitz der letzten Kaiser. Am sogenannten Parfümfluss Huong Giang liegt auch die Verbotene Stadt mit ihren Palästen, Gärten und Tempeln.
Etwa vier Stunden verbrachte ich in diesem zehn Quadratkilometer großen Areal, welches seit 1993 Unesco-Weltkulturerbe ist. Für mich stellte dieser Ort eine besondere Sehenswürdigkeit dar, konnte ich hier doch einen guten Einblick in die Geschichte des Landes erhalten.
Der Name „Verbotene Stadt“ rührt daher, dass sie früher nur von der Kaiserfamilie und von einigen wenigen Auserwählten betreten werden durfte. Der letzte Kaiser trat 1945 ab, übergab die Macht an Ho Chi Minh, der wohl bekanntesten Persönlichkeit Vietnams. Übrigens ist dessen einbalsamierter Leichnam noch im gleichnamigen Museum in Hanoi zu sehen. Wer dazu mehr Informationen habe möchte, dem empfehle ich folgenden Artikel: https://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Der-gefangene-Geist-des-Ho-Chi-Minh-in-Hanoi/20070314
Nach meinem langen Spaziergang durch die alte Kaiserstadt, in der ich viel über das Leben unter der Nguyen-Dynastie lernte, nutzte ich die Zeit in der charmanten Stadt für einen Besuch eines lokalen Marktes. Wie so oft während meiner Zeit in Südostasien hatten diese Momente immer etwas Spezielles. Es waren sinnliche Erlebnisse. Diese intensive Mischung aus Geräuschen, Farben und Gerüchen lässt sich mit Worten kaum beschreiben.
Hoi An sollte schließlich die letzte Station meines dreiwöchigen Vietnam-Aufenthaltes darstellen. Der am Südchinesischen Meer gelegene Ort ist nicht nur durch seine Nähe zum Meer, sondern auch wegen seiner Altstadt einen Besuch wert. Diese blieb während des Vietnamkriegs unversehrt und wurde von der UNESCO 1999 zum Weltkulturerbe erklärt. Sie bildet mit einer Vielzahl kleiner sowie charmanter Häuser, alter Tempel und jeder Menge Restaurants, Bars und Geschäften das Herz Hoi Ans. Das Wetter am ersten Tag meines Aufenthaltes war so regnerisch, dass die Altstadt am nächsten Tag unter Wasser stand und man diverse Straßen nur mit einem Boot oder einer Badehose passieren konnte.
Gemeinsam mit dem Niederländer Pelle, ihn und seine Freundin Vera traf ich ja bereits in Sapa und zwischendurch auch zufällig in Hue, erkundete ich an einem verregneten Nachmittag ein paar Sehenswürdigkeiten. Beispielsweise die Japanische Brücke, die den historischen japanischen Stadtteil mit dem chinesischen auf der anderen Seite vereint. Reiche Handelsleute ließen das heutige Wahrzeichen der Stadt von 1593 bis 1595 erbauen.
Meine Unterkunft lag am An Bang Strand, etwa zehn Autominuten von der Altstadt entfernt. Geworben wurde hier für einen idyllischen Ort mit einem feinen Sandstrand, türkisblauen Wasser und schroffen Felsen in der Ferne. Nun ja, ob jene Beschreibung zutrifft, hängt sowohl von der Wetterlage als auch vom Umweltverhalten der Einheimischen und Touristen ab. Den Sandstrand gab es, doch war dieser nicht selten mit reichlich Müll verziert. Das Wasser gab es auch, doch durch den Regen und den Sturm war aus dem Türkisblau ein Karamellbraun geworden. Nichtsdestotrotz ließ ich mir ein paar wohltuende Strandspaziergänge in dieser Zeit nicht entgehen.
Der An Bang Strand in Hoi An.
Zudem traf ich mich hier, bereits zum dritten Mal, mit Teo, einem jungen Mann aus Schweden. Unser erstes Aufeinandertreffen war einer jener Augenblicke, die meine Weltreise letztlich so einzigartig und interessant machen. In Hanoi quälte ich mich eines Abends durch die schmalen Gassen und deren Menschenmassen. Vor mir lief Teo mit einem Trikot des FC St. Pauli. Da das Tragen jenes Trikots eine Seltenheit in Vietnam darstellte, sprach ich Teo einfach mit den Worten „Was macht ein St.Pauli-Fan in Hanoi?“ an. Er drehte sich um, antwortete mir auf englisch, dass er kein deutsch spricht aber seine Mutter Deutsche sei. Wir liefen noch ein paar Meter weiter durch die Innenstadt. Ich fragte ihn, ob er schon etwas gegessen hätte. Er verneinte und fragte mich Selbiges. Ich verneinte ebenso und ergänzte fragend, ob er Lust hätte, während eines gemeinsamen Abendessens noch ein bisschen zu quatschen. Wenige Sekunden später hatten wir auf einem dieser viel zu kleinen Plastikstühle am Straßenrand Platz genommen und erzählten mindestens eine Stunde über Gott und die Welt. Anschließend tauschten wir die Telefonnummern aus und hielten in den kommenden Tagen Kontakt. Zum zweiten Mal trafen wir uns dann in Hue zum Frühstück und schlenderten anschließend durch die Innenstadt. Da alle guten Dinge bekanntlich Drei sind, vereinbarten wir in Hoi An ein drittes und vorerst letztes Treffen.
Mit Teo fuhr ich zu den Marble Mountains. Das sind fünf bewaldete Marmor- und Kalksteinfelsen am Stadtrand von Da Nang. Benannt wurden sie nach den fünf Elementen der traditionellen östlichen Philosophie: Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde. Der höchste unter ihnen ist der Wasserfelsen „Thuy Son“ mit 106 Metern. Kann man hier eigentlich von einem Berg sprechen? 😉
Wir erkundeten das Gelände auf eigene Faust. Unser Weg führte uns an zahlreichen Skulpturen, buddhistischen und hinduistischen Tempeln, geheimnisvollen Höhlen und Tunneln vorbei. In der Tam Thai Pagode, die eine fast 400-jährige Geschichte vorzuweisen hat, nahm ich an einer buddhistischen Zeremonie teil. Ein Mönch zelebrierte diese. Ich setzte mich für ein paar Minuten dazu und genoss dieses spirituelle Schauspiel. Während der Mönch seine Mantras sang, betete ich. Überhaupt nutzte ich jeden meiner Tempelbesuche in den vergangenen Monaten immer für ein kleines oder größeres Gebet. Mir ist es einfach egal, ob ich dabei in einem hinduistischen oder buddhistischen Tempel, einer Moschee, Synagoge oder Kirche bin. Die meisten, die das hier lesen, wissen, dass ich gläubiger Christ bin und mich in meiner Kirchgemeinde in den vergangenen Jahren auch engagierte. Für mich war es allerdings noch nie von Bedeutung, welcher Religion ein Mensch angehört. Ich habe mittlerweile Freunde aus allen bekannten Weltreligionen. Formulieren wir es mal so: uns vereint der Glaube an etwas, was man gern als Übernatürliches bezeichnet. Letztlich, so glaube ich, ist es doch nur ein (übernatürlich oder sterbliches) „Wesen“, welches diese wunderbare Erde geschaffen hat. Ob man es nun Gott, Jahwe, Adonai, Allah, Shiva, Vishnu oder Buddha nennt, spielt für mich keine Rolle.
Ein Mönch in der Tam Thai Pagode.
Nachdem ich noch eine Nacht in der Küstenstadt Da Nang verbrachte (Verbindung zum Flughafen spielte dabei eine Rolle), flog ich von dort aus nach Saigon. Damit ersparte ich mir eine zirka 20-stündige Busfahrt. In Saigon, Ausgangspunkt meiner Vietnamreise, verbrachte ich noch eine Nacht (in der Nähe des Flughafens) bevor ich am 7. Dezember nach Bali flog. Hier, auf der wohl bekanntesten Insel Indonesiens, werde ich einen Monat wohnen, deutsche Freunde treffen, Weihnachten „feiern“ und das neue Jahr 2023 begrüßen.
Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
Diese Train Street ist ja völlig verrückt. 🙂
Du schreibst wirklich sehr lebendig. Und ich finde es überraschend, wie Du Dich aufregen kannst, lieber David B.!