Die Karpaten, das Schwarze Meer, das Donaudelta oder das als Siebenbürgen bekannte transsilvanische Hochland. Jene eben erwähnten wunderschönen Landschaften findet man in Rumänien. Dieses südosteuropäische Land zu besuchen, stand bereits 2020 auf meinem Plan, doch die Pandemie verhinderte das. Nun, drei Jahre später, packte ich meinen Koffer und machte mich auf den Weg in das Land, welches fast so groß ist wie Deutschland, allerdings mit etwa 19 Millionen nur etwa ein Viertel der Einwohnerzahl hat. Ich setzte also, nach ein paar Wochen in der Heimat, meine Weltreise fort. Begleitet wurde ich dabei von meinem guten Freund Horst, mit dem ich bereits Marokko und Tunesien bereiste. Gemeinsam mieteten wir uns ein Auto und erkundeten für eine Woche verschiedene Städte und Regionen in Rumänien. Dafür flogen wir von Nürnberg in die rumänische Hauptstadt. Schon auf dem Weg vom Flughafen ins Zentrum bekamen wir ein Problem dieser pulsierenden zwei Millionen Metropole zu spüren. Das enorme Verkehrsaufkommen und die zunächst unübersichtlich wirkenden Kreisverkehre verlangten mir allerhöchste Konzentration ab. Laut einer Statistik eines bekannten Navigationssystemherstellers verzeichnete Bukarest im Jahr 2022 weltweit das siebentschwerste Verkehrsaufkommen. Im Stau stehen, gehört quasi zur Tagesordnung. Genau das taten wir.
Impressionen aus Bukarest:
Dankenswerterweise lag unsere Unterkunft in der Nähe der Altstadt, so ließen wir am nächsten Tag das Fahrzeug stehen und erkundeten die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten zu Fuß. Ziemlich schnell wurden wir in der Altstadt, dem Herzstück, mit der Geschichte des Landes konfrontiert. Zu sehen waren wunderschöne Denkmäler der alten rumänischen Architektur, Häuser im Jugendstil, Art-déco-Bauten aber auch klobige Gebäude aus der Zeit der kommunistischen Diktatur. Der Kontrast zwischen imposanten schönen Gebäuden und heruntergekommenen ärmlichen Häusern war extrem. Er ist ein Beweis für die wechselhafte Geschichte Rumäniens. Das Land ist ein Schmelztiegel europäischer Kulturen. Genau das und diese Gegensätzlichkeit machte den Aufenthalt hier so interessant. Von der Hauptstadt ging es nach Sibiu – zu deutsch Hermannstadt. Gegründet im 12. Jahrhundert von deutschen Siedlern, den so genannten Siebenbürger Sachsen. Die Altstadt hat sich die Pracht ihrer früheren Tage bewahrt, als mächtige und reiche Zünfte beeindruckende Gebäude und die zu ihrem Schutz erforderlichen Befestigungsanlagen bauten. Teile der mittelalterlichen Stadtmauer bewachen noch immer die Altstadt, in der enge Gassen an steilen Gebäuden aus dem 17. Jahrhundert vorbeiführen, bevor sie sich zu großen, von eindrucksvollen Kirchen dominierten Plätzen öffnen.
Impressionen aus Sibiu:
Anmerkung: wir besuchten in der Nähe von Sibiu das ASTRA-Museum, das größte Freilichtmuseum Europas. Es bietet einen grandiosen und umfassenden Einblick in die ländliche Baukunst der zurückliegenden Jahrhunderte. Hier ein paar Impressionen:
Auf dem Weg ins nordwestliche gelegene Cluj-Napoca machten wir Halt in Cheile Turzii, eines der malerischsten Schutzgebiete des Landes. Als Naturliebhaber unternahmen wir eine kleine Wanderung entlang einer eindrucksvollen Schlucht, steiler Klippen und atemberaubender Aussichten.
Diesem ruhigen und traumhaften Ausflug folgte die Besichtigung der lebhaften Stadt Cluj-Napoca, die auch unter ihrem deutschen Namen Klausenburg bekannt ist. Sie wurde im 16. Jahrhundert nach der Gründung des autonomen Fürstentums Siebenbürgen dessen Hauptstadt. Erst 1920 wurde sie zusammen mit dem Rest Siebenbürgens in Rumänien eingegliedert.
Impressionen aus Cluj-Napoca:
Mit Sighisoara (Schäßburg) und Brasov (Kronstadt) standen zwei weitere herausragende Orte im Süden Siebenbürgens auf unserem Programm. Sighisoara begeisterte uns mit seinem historischen und mittelalterlichen Flair. Wir erkundeten die engen Gassen mit ihren bunten Häsuern auf eigene Faust. Dabei besuchten wir unter anderem die aus dem 14. Jahrhundert stammende Bergkirche, den imposanten Stundturm – das Wahrzeichen der Stadt – mit seinem bunt geziegelten Dach und den auffällig geformten Türmen, die überdachte Schülertreppe aus dem 17. Jahrhundert, die einem hölzernen Tunnel gleicht, sowie das mutmaßliche Geburtshaus von Vlad Tepes Dracula, bekannt als „Vlad der Pfähler“ oder der grausame Fürst „Graf Dracula“. Dessen Spuren führten uns auf das Schloss Bran, welches auf einem 60 m hohen Felsen thront und von einer geheimnisvollen Aura umgeben ist. Seine Berühmtheit verdankt das Schloss einerseits seinen majestätischen Türmen, andererseits der Faszination um Bram Stokers Roman Dracula. Die prächtige Kirchenburg aus dem 14.Jahrhundert ist natürlich ein Touristenmagnet, allerdings für Geschichtsliebhaber wie mich sehr reizvoll und höchst interessant, zumal sie zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt. So spielte das Schloss im Lauf der Jahrhunderte immer wieder eine bedeutende Rolle in der Geschichte Transsilvaniens, beispielsweise bei der Verteidigung gegen das Osmanische Reich. Heute beherbergt es ein tolles Museum, das vor allem der rumänischen Königin Marie gewidmet ist.
Impressionen aus Sighisoara:
Nicht unweit von Bran liegt Brasov. Die Stadt hatte verschiedene architektonische Gebäude zu bieten – im Stil der Gotik, des Barocks und der Renaissance. Wir erkundeten die schönsten Sehenswürdigkeiten wieder zu Fuß. Besuchten die Schwarze Kirche, eine einzigartige evangelisch-lutherische Pfarrkirche. Dieses gotische Gotteshaus ist mit einer Länge von über 89 Metern die größte Kirche des Landes. Ihren Namen verdankt sie einem Brand aus dem Jahr 1689, der die Kirche stark beschädigte und ihre Wände schwärzte. Abgesehen von einem Museum in Istanbul, befindet sich hier die größte Sammlung orientalischer Teppiche aus dem 15. und 16. Jahrhundert.
An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Eindrücke wiedergeben, die ebenso zu Rumänien gehören wie all die wunderbaren historischen Orte, die wir besuchten. Beispielsweise die Pferdefuhrwerke, die sich zwischen PS-starken Karossen ganz selbstverständlich auf den Straßen bewegen. Zum Straßenbild des Landes gehören tausende heimatlose Hunde. Oft sahen wir die Vierbeiner am Straßenrand herumlaufen – die meisten unterernährt, krank und verletzt.
Auffällig waren auch die zahlreichen (meist orthodoxen) Kirchen. Davon besuchten Horst und ich täglich mindestens zwei oder mehr. Schon von außen waren es oft prachtvolle Bauten, die im Inneren aber noch viel eindrucksvoller waren. Kerzen, Leuchter und Gemälde, die Jesus oder Heilige zeigen. Es war unschwer zu erkennen, dass Religionen in Rumänien eine bedeutende Rolle spielen, sowohl im Alltag als auch historisch betrachtet. Immer wieder beobachteten wir Menschen, jung wie alt, die in den Gotteshäusern mit ihren farbenprächtigen Fresken und wunderschönen Wandgemälden aktiv ihren Glauben lebten. Sie küssten die Ikonen, also die reich mit Gold verzierten und sehr wertvollen Bilder.
Impressionen der Orthodoxen Dreifaltigkeitskathedrale von Sighisoara befindet sich etwas außerhalb der Altstadt:
Wir verließen Kronstadt, den einst so wichtigen Verbindungspunkt zwischen Moldau, Transsilvanien und Walachei, überquerten die Karpaten mit ihren schneebedeckten Gipfeln und um den Gefrierpunkt gelegenen Temperaturen. 400 Kilometer später, wehte uns bei etwa 15 Grad eine kühle, aber frische Seebrise um die Ohren. Wir waren am Schwarzen Meer in Constanta angekommen. Von von griechischen Kolonisten errichtet, von Römern erobert und später von den Osmanen beherrscht, ist die Stadt eine der ältesten nachgewiesenen Städte auf rumänischem Gebiet – die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 657 vor Christus.
Impressionen aus Constanta:
Auf dem 47-Meter hohen Minarett der Großen Moschee genossen wir eine herrliche Aussicht. Von hier aus sahen wir den riesigen Hafen, den Größten am Schwarzen Meer. Seit einiger Zeit spielt dieser auch eine wichtige Rolle für den Export von Getreide aus der Ukraine. An den Stränden des Ortes, in denen sich im Sommer natürlich tausende Touristen tummeln, ist derzeit nichts los. Ich war dort nahezu allein, als ich am späten Nachmittag ein Läufchen absolvierte und dabei die Möwen am Strand sowie die kleinen Kunstwerke auf den Fußgängerwegen bestaunte.
Am nächsten Morgen, sieben Tage nach unserer Ankunft und zirka 1500 Kilometer später, verabschiedete ich mich am Bukarester Flughafen von meinem Freund Horst.
Während er nach Deutschland zurückflog, ging meine Reise weiter. Allerdings ohne Auto, sondern zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Noch am selben Abend traf ich Andrei, den ich vor wenigen Wochen bei einem Jugendaustausch in Deutschland, an welchem ich als Gruppenleiter teilnahm, kennenlernte. Nach einem gemeinsamen Abendessen, einer kleinen privaten Tour durch Bukarest und tollen Gesprächen, brachte er mich schließlich zum Busbahnhof. Hier machte ich mich um Mitternacht auf den Weg nach Bulgarien.