Auf die nepalesischen Berge folgten die thailändischen Sandstrände. Schweren Herzens verließ ich am 14. Oktober Kathmandu, um nach Bangkok zu fliegen. Hier verbrachte ich eine Nacht in einem Hotel nahe des Flughafens. Am darauffolgenden Tag flog ich weiter nach Phuket. Sie ist Thailands größte und schillerndste Insel. Mir diente sie aber lediglich als Zwischenstopp und so hatte ich nur drei Nächte in einem Quartier in der Nähe der Altstadt gebucht. Vom Flughafen gab es mehrere Gelegenheiten, um in die Unterkunft zu gelangen. Mit dem Taxi – die teuerste aber zeitlich kürzeste Variante. Mit dem Bus – die billigste aber zeitlich längste Alternative. Mit dem Minibus – eine preiswerte und zeitlich akzeptable Möglichkeit. Für Letztere entschied ich mich. Als ich am späten Abend meine Bleibe erreichte, hatte ich noch kein Abendessen gemacht. Als ob man es mir hätte ansehen können, fragte mich der sympathische Besitzer, ob ich denn Hunger hätte. Da ich diese Frage nicht vereinte, lud er mich ein, mit seiner Familie und zwei aus China stammenden Gästen gemeinsam ein paar thailändische Speisen auszuprobieren. Eine wirklich nette Geste. Überhaupt war diese Familie absolut bemüht, mir meinen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Einerseits gaben sie mir viele hilfreiche Tipps und andererseits stillten sie meine Neugier, indem sie mir meine Fragen über Land und Leute ausführlich und geduldig beantworteten.
Mit dem Wetter hatte ich während meiner ersten sechs Tage in Thailand wenig Glück. Ständig regnete es und zwar richtig. Monsunzeit. Doch das diese für Überschwemmungen und gesperrte Straßen in der Altstadt Phukets sorgte, war selbst für die Thais etwas Neues.
Nach drei Nächten in dieser preisgünstigen, tollen und erst vor zwei Monaten eröffneten Unterkunft, machte ich mich auf den Weg nach Phi Phi Island oder Koh Phi Phi. „Koh“ ist thailändisch und bedeutet „Insel“. Mit dem Speedboot ging es über die Andamanensee. Da sich die See in jenen Tagen von ihrer aufgewühlten Seite zeigte, war die Überfahrt mit ordentlichen Wellengang ein kleines Abenteuer beziehungsweise nichts für sensible Mägen. Letztlich ein heftiges Auf und Ab, dem ich auch in Zukunft wohl nur wenig Reisekomfort ausstellen werde.
Die Phi Phi Islands sind vielen Filmliebhabern bekannt. Genau genommen ist es die Maya Bay, die im Jahr 2000 Schauplatz für den Film „The Beach“ mit Leonardo DiCaprio wurde. Seither erleben die Inseln in unmittelbarer Nähe jedes Jahr einen Besucheransturm. Die berühmte Bucht ist dabei für viele Touristen ein Must-See. Doch nicht für mich. Erstens spielte es für mich keine Rolle, welcher Schauspieler hier kurzfristig seinem Job nachging und zweitens war das Wetter überhaupt nicht einladend, um für viel Geld diese Bucht mit hundert anderen Touristen zu bestaunen.
Auf Ko Phi Phi sollte sich die Wetterlage also zunächst nicht ändern. Der Regenschirm und das Regencape ein unverzichtbares Accessoire. Da ich nun kein Mensch bin, der nahezu den ganzen lieben langen Tag auf der faulen Haut liegen kann, machte ich mich trotz großer Regenwahrscheinlichkeit auf den Weg, die Insel zu erkunden. Im Internet las ich von drei Aussichtspunkten. Ich entschied mich für den mit 176 Metern höchsten aber mit Abstand ruhigsten. Dieser lag mitten im Dschungel, womit diese Wanderung ihren speziellen Reiz hatte. Da es größtenteils stark regnete, waren meine Schuhe spätestens bei der Durchquerung eines überfluteten Straßenabschnittes komplett nass. Auch die Moskitos schienen sich über einen der wenigen Besucher zu freuen. Doch das alles störte mich nicht, ich genoß die Natur und schließlich einen wirklich tollen Ausblick auf die Insel beziehungsweise die 200 Meter breite Landzunge, die die Buchten Lo Dalam und Tonsai trennt.
Natürlich haben die Phi Phi Islands noch viele schöne Strände und Buchten zu bieten, doch auf eigene Faust erreichen, kann man nur die wenigsten. Die Entfernungen sind für Wanderungen oft zu groß und als Beförderungsmittel dienen lediglich Boote verschiedenster Art, keine Tuk Tuks oder Mopeds. Was man auf Koh Phi Phi und all den anderen kleineren umliegenden Inseln unternehmen kann, ist eigentlich schnell erzählt. Sightseeing Fehlanzeige. Es gibt keine historischen Tempel, interessante Museen oder imposante Bauwerke. Was es hier zu sehen gibt, hat einst die Natur geschaffen. Herrliche weiße Sandstrände, kristallklares Wasser und eine faszinierende Unterwasserwelt. Thailands Inseln sind etwas für Strandliebhaber, egal ob man die wilden Partystrände oder die einsamen und ruhigen Abschnitte bevorzugt.
Nicht unerwähnt möchte ich an dieser Stelle die thailändische Küche lassen. Sie ist frisch und vielseitig, beinhaltet exotische Gewürze. Die Gerichte mit scharfen, aromatischen aber auch fruchtigen Bestandteilen. Ingwer, Limette, Chili, Koriander, Zitronengras, Knoblauch oder Kokosmilch. Fisch, Gemüse oder Fleisch. Reis oder Nudeln. Suppen, Salate oder Frühlingsrollen. Mango, Banane, Drachenfrucht, Ananas oder Papaya. Die Aufzählung könnte ich noch weiter fortsetzen beziehungsweise detaillierter formulieren, denn die Thai-Küche hat einfach unglaublich viel zu bieten. Süß, sauer, scharf, salzig oder bitter – man wird nahezu jeden Geschmack in ihren Gerichte finden.
Nach drei Nächten verließ ich Phi Phi Island. Meine nächste Station war Koh Lanta an der Westküste Thailands. Im Gegensatz zur vorherigen ist sie eine sehr entspannte Insel und keineswegs überlaufen, auch wenn sie zu den beliebtesten Inseln gehört. Schon im Vorfeld hatte ich gelesen, dass sie sich bestens für Ruhesuchende eignet.
Nur eine Minute lief ich von meiner Unterkunft zum Strand. Jeden Tag verbrachte ich hier eine gewisse Zeit.
Und Ruhe war genau das, was ich jetzt brauchte, um ein Herzensprojekt aus der Heimat zu beenden. Vielmehr war ich hierher gekommen, um eine Arbeit „am Ende“ anzufangen. Klingt gewiss etwas verwirrend, klärt sich aber gleich. Viele von euch wissen, dass ich mich in Griesheim nicht nur im Sportverein engagierte. Auch in der Kirchgemeinschaft war ich aktiv. Beispielsweise öffnete ich mit meinem Freund und dem Griesheimer Ortschronisten Gerhard Fuchs von 2003 bis 2021 jedes Jahr zum Tag des Denkmals die Pforte unserer altehrwürdigen Kirche. Überhaupt war ich an der Geschichte meines Heimatdorfes sehr interessiert und unterstützte Gerhard bei seiner Arbeit an diversen Chroniken und Geschichten des Ortes. Leider starb mein bis dato ältester Freund letztes Jahr im Alter von 97 Jahren. Unser letztes Projekt war die Zusammenstellung der Geschichte Griesheims. Vor vielen Jahren fertigte Gerhard bereits die Chronik der Freiwilligen Feuerwehr und die des Sportvereins Fortuna Griesheim an. Später veröffentlichte er die Geschichte unserer Kirche „Maria Magdalena“ und die des Griesheimer Schulwesens, verbunden mit dem Wirken Friedrich Fröbels. Außerdem half er der adligen „Familie von Griesheim“ bei der Recherche und Erstellung ihrer Familiengeschichte.
Nun war die Chronik Griesheims, Gerhard sprach hier aus einem bestimmten Grund immer von der Geschichte Griesheims, sozusagen das i-Tüpfelchen in seinem Wirken als Ortschronist. Das letzte große Projekt. Eine erste Ausgabe ließen wir 2021 Korrektur lesen. Meine Aufgabe bestand nun darin, die gefundenen Rechtschreib- und Ausdruckfehler in der Digitalfassung zu korrigieren. Jene musste ich zudem noch formatieren, hatte Gerhard doch noch eine alte Version des Schreibprogramms „Word“ benutzt. Ich versprach ihm, diese Aufgabe zu beenden. Gern hätte ich das noch vor meiner Weltreise getan. Leider war mir das nicht möglich. So packte ich diesen 250-seitigen Probedruck (mit seinen angestrichenen Fehlern) in meinen großen Rucksack. Seither begleitete er mich auf meiner Reise. In Ko Lanta hatte ich mir nun vorgenommen, mit der Korrektur und Formatierung der Digitalversion zu beginnen, um das Projekt in den kommenden Wochen abzuschließen. Dazu war die Unterkunft, die ich auf dieser thailändischen Insel bezog, bestens geeignet. Da sie weder überbucht war, noch eine störende Geräuschkulisse aufwies, bot sie mir die nötige Ruhe, um jene Angelegenheit in Angriff zu nehmen. So verbrachte ich täglich mehrere Stunden mit der Korrektur und Formatierung der „Geschichte“ Griesheims. Nach mehr als zwei Monaten des Reisens, des Entdeckens und Erkundens verweilte ich bewusst an einem Ort, um eine letzte ehrenamtliche Arbeit aus der Heimat und meinem Leben dort zu beenden. Und was soll ich sagen: es machte mir Freude an diesem Projekt zu „arbeiten“, wobei „Arbeit“ hier der absolut falscheste Begriff ist. Besser ist: sich damit zu befassen. Ich genoß es, mich Seite für Seite mit den verschiedenen Epochen und Themen auseinanderzusetzen. Währenddessen erinnerte ich mich an die vielen schönen Momente, die ich mit meinem Freund Gerhard erleben durfte. Zum Beispiel an die vielen Stunden, die wir in seinem kleinen Büro an seinem PC verbrachten, an die vielen Geschichten, die er mir über meine Heimat erzählte oder an die Ausflüge, die wir machten, um die Geschichte zu dokumentieren. Nun steht das Projekt kurz vor dem Abschluss. Es sind nur noch wenige Seiten, die ich korrigieren und formatieren werde. Ebenso schreibe ich noch an einem würdigen Nachruf für meinen Freund, ohne dessen Engagement und Liebe zur Historie der Ort Griesheim wohl nur wenig über die Geschehnisse und Geschichten der vergangenen Jahrhunderte wüsste.
Sich mit der Geschichte meines Heimatdorfes zu beschäftigen, war allerdings nicht das Einzige, was ich während meines Aufenthaltes (11 Nächte) in den traumhaft gelegenen „Leafhouse Bungalows“ auf Ko Lanta tat.
Ich hatte mich tatsächlich auf ein Tauchabenteuer eingelassen, obwohl das Wasser eigentlich nicht mein Lieblingselement ist. Eine Tauchschule unmittelbar neben meiner Unterkunft hatte mich eingeladen, einen Basis-Tauchlehrgang zu absolvieren. Der Besitzer und seine Mitarbeiter, die aus Polen stammen, meinten im Vorfeld, dass ich es nicht bereuen würde. Obwohl ich zunächst skeptisch war, sollte sich ihr Versprechen bewahrheiten. Es war einfach unglaublich toll. Am ersten Tag durchlief ich eine Pool-Session, in welcher ich in Theorie und Praxis die Grundkenntnisse des Tauchens erlernte. Für mich, der die Berge liebt und nur selten direkt ins Wasser hüpft, war es absolut befremdlich, sich für eine lange Zeit unter Wasser aufzuhalten und hier auch zu atmen. Natürlich kann mit Hilfe einer Sauerstoffflasche und eines Tauchlehrers sowie entsprechender Ausrüstung nicht viel passieren, doch das musste mein Kopf erstmal verstehen. Geholfen hatte mir hier auch die ruhige Art meines Instructors und Tauschschulenbesitzers Wlodek, der sogar deutsch sprach. Am zweiten Tag folgten zwei Tauchgänge auf offener See. Wahrlich, ein großartiges Abenteuer. Begleitet wurde ich dabei von Nicola, einem jungem Italiener, der als freiberuflicher Tauchlehrer sein Glück versucht.
Wir fuhren mit dem Speedboot nach Koh Haa, einer kleine Inselgruppe zirka 25 Kilometer westlich von Koh Lanta. Seit zehn Jahren gehört sie zum Nationalpark von Thailand in der Andamanensee. Geöffnet ist der Park von Ende Oktober bis April und den Rest des Jahres bleibt er wegen der Wetterverhältnisse und zum Schutz der Natur geschlossen.
Laut Wlodek ist Koh Haa ein absolutes El Dorado für Taucher. Einerseits zieht es noch relativ wenig Taucher hierher, andererseits ist die Wasserqualität meistens super und die Unterwasserwelt atemberaubend. Da Koh Haa ein Nationalpark ist, wurden hier Ankerbojen gesetzt, die die zehn Tauchplätze markieren. Der Einstieg ins Wasser erfolgte mit der Rolle rückwärts. Das ist typisch, kostete mich aber beim ersten Mal durchaus Überwindung. Der erste Tauchgang dauerte schließlich 41 Minuten und verlief in maximal sechs Meter Tiefe. Hier prüfte Nicola auch nochmal meine tags zuvor erworbenen Kenntnisse. Ich gestehe, dass ich diesen ersten Tauchgang nicht zu 100 Prozent genießen konnte. Zu sehr musste ich mich noch auf Atem- und Schwimmtechnik konzentrieren.
Der zweite Tauchgang war allerdings um einiges entspannter und so unfassbar schön. 44 Minuten lang erkundete ich die Unterwasserwelt bei einer maximalen Tiefe von 11,50 Meter. Der Fischbestand war sehr beeindruckend und bot eigentlich alles, was man so in den Fischbüchern vorfindet. Entdecken konnte ich außerdem Hartkorallen, Weichkorallen, Gorgonien, Garnelen, Krebse, und, mein absolutes Highlight, eine echte Karettschildkröte. Fazit: ich hatte das Glück in eine unglaublich schöne Unterwasserwelt einzutauchen, eine für mich völlig neue Welt – fernab von Stress und Hektik.
Auf zum Tauchen…
Das Kontrastprogramm dazu erlebte ich während meiner letzten Nacht in Thailand. Diese verbrachte ich wieder auf Phuket. Dieses Mal wählte ich mir ein Hotelzimmer am Patong Beach, dem wohl berühmtesten Strand Thailands. Patong ist eigentlich ein kleiner Badeort aber aufgrund der Rotlichtszene verschaffte es Phuket in den vergangenen Jahren einen zweifelhaften Ruf. Tausende von Touristen zieht es jedes Jahr hierher. Die meisten verbringen ihren Urlaub weitestgehend in einem Hotel am Strand und genießen das Partyleben. Als ich am Abend durch die Gassen schlenderte, fragte ich mich, wer so etwas ernsthaft genießen kann. Alle paar Meter standen Männer und Frauen mit Schildern, auf denen Bierflaschen abgebildet waren und warben für ihr ein Restaurant bzw. eine Bar. Teilweise sehr aufdringlich. Ebenso lästig und forsch das Werben der Menschen, die in den hundertfach existierenden Massagesalons arbeiten. Die Anzahl der Salons ist kaum zählbar, geschweige denn die Zahl derer, die darin arbeiten. Unglaublich. Ich akzeptiere ja eine nette Anfrage (meistens erklingt lediglich das Wort „Massage?“), doch wenn man dann am Arm gepackt wird, ist für mich eine Grenze deutlich überschritten. Das erlebte ich allerdings nur einmal. Oft wurde ich auch gefragt, ob ich denn Hasch oder Marihuana kaufen möchte. Wie bereits gesagt, für mich war dieser Ort das völlige Kontrastprogramm zu den vorherigen Tagen. Doch ich wollte herausfinden, warum es Menschen zu Tausenden an diesen Ort namens Patong zieht. Wahrscheinlich ist es die Mischung aus Sommer, Sonne, Strand, Meer und dem berühmten Partyleben. Abgewinnen kann ich dieser Art des Urlaubs absolut nichts. Aber man sollte Phuket nicht nur auf Patong reduzieren, macht dieser Ort doch nur rund 16 km² der insgesamt 570 km² großen Insel aus. Am 2. November verließ ich Thailand. In guter Erinnerung werden mir die schönen Stunden und Erlebnisse auf Koh Lanta bleiben, ebenso die super freundliche Art und das Lachen der Thais.
P.S.: lokale (Wochen)Märkte, egal ob klein oder groß, gibt es in Thailand gar viele. Auch ich besuchte sie.
Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
Was für eine verrückte Geschichte: Da fährt einer mit der dicken Chronik von Griesheim im Rucksack um die halbe Welt, um sie dann auf einer Insel in Thailand zu redigieren und in die Geschichte seines deutschen Heimatdorfes einzutauchen. Du bist ein echt verrückter Hund!
Eberhardt spricht mir wieder einmal aus dem Herzen. Du bist einfach unglaublich. Es ist ja nicht so, dass Du nicht genug anderes zu schleppen hättest. Einfach irre. Aber so kennen wir Dich seit viele Jahren. Pflichtbewusst, der Heimat verbunden und immer für eine Überraschung gut. Das wäre ja eine edle Geschichte für die „Heimat-„Zeitung, für die Du ja auch viele Jahre gearbeitet hast. Aber da braucht es schon das Freie Wort, um auch im Ilmkreis über Deine Erlebnisse zu erfahren, weil es der Thüringer Allgemeine wohl nicht wichtig genug ist, wenn ein Griesheimer die Welt erobert. Aber ja, Zeiten ändern sich. Leider. Sicher ja auch einer der Gründe, warum Du (wie wir) Deutschland den Rücken gekehrt hast.