Denkt man an Berge in Tansania, dann kommt den meisten Menschen der Kilimandscharo in den Sinn. Eventuell kennt man noch den Mount Meru, den zweithöchsten Berg des Landes. Doch im Nordosten Tansanias gibt es eine Bergkette, die zwar nicht ganz so majestätisch wirkt wie der Kili, doch mindestens genauso schön ist. Die Rede ist vom Usambara-Gebirge, einem Paradies für Naturliebhaber und Wanderfreunde. Genau deswegen, machte ich mich vor einigen Tagen auf den Weg von Boma Ng’ombe nach Lushoto, eine Stadt in den West-Usambaras. Demzufolge gibt es auch die Ost-Usambaras, der kleinere der beiden Gebirgsblöcke, welcher näher zur Küste liegt.
Da es aktuell Winter in Tansania ist, hatte ich für meinen fünftägigen Trip unter anderem zwei lange Hosen, zwei Pullover und eine Windjacke eingepackt. Das sollte sich letztlich auch bezahlt machen, vor allem in der Nacht als die Temperaturen in meinem Zelt auf unter 15 Grad Celsius sanken. Das hört sich für in Deutschland lebende Menschen möglicherweise nach durchaus frühlingshaften Temperaturen an. Doch für einen Weltenbummler wie mich, der seit mehr als einem Jahr „im Sommer“ lebt oder diesem nachreist und für den Temperaturen von 25 bis 40 Grad Celsius Alltag sind, der friert auch schon mal bei etwas weniger als 15 Grad Celsius. Logisch, denn mein Körper gewöhnt sich schnell an die meistens sehr warmen Temperaturen.
Mit dem Bus machte ich mich also an einem Sonntag auf den Weg in die Usambara-Berge. Doch bevor ich diese erreichte, übernachtete ich in Same, einer kleinen Stadt am Fuße der Pare-Mountains. Letztere sind eine Ansammlung von 52 benannten Gipfeln im Nordosten Tansanias. Hier traf ich mich mit Caleb und Sophia, zwei Amerikanern, die ich vor einigen Wochen kennenlernte, als ich für einen Monat in einem Hostel in Moshi wohnte. Sie arbeiten für Peace Corps, einer unabhängigen amerikanischen Behörde, die 1961 auf Initiative des damaligen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy eingerichtet wurde. Sie sieht ihre Aufgabe in der Völkerverständigung. So arbeiten Freiwillige wie Caleb und Sophia in Tansania mit ihren Gemeinden an lokalen Projekten in den Bereichen Landwirtschaft, Bildung und Gesundheit.
Impressionen – Alltag in Tansania – ein paar Schnappschüsse aus dem Bus heraus fotografiert:
Nachdem ich mit den beiden ein paar schöne Stunden in Same verbrachte, übernachtete ich in einem zur Kirche gehörenden Hostel. Am nächsten Morgen sollte mein Bus um 9 Uhr vom Busbahnhof abfahren. Naja, er hatte dann lediglich 45 Minuten Verspätung. Pünktlichkeit in Tansania ist nicht wirklich selbstverständlich und erfahrungsgemäß für viele eher ein Fremdwort. Doch daran gewöhnt man sich 😉 In der Zwischenzeit beobachtete ich die zahlreichen Händler, die von Bus zu Bus rannten, um ihre Ware anzubieten. Es ist ein wahres Schauspiel. Sobald sich ein Bus nähert, stehen zig Frauen und Männer mit ihren Waren bereit. Der Bus hat noch nicht richtig angehalten und schon belagern sie die Fenster, in der Hoffnung dort ein Geschäft abzuschließen. Hier wird alles verkauft, was Reisende benötigen könnten oder halt auch nicht. Getränke, Obst, Gemüse, Eier, Chips, Kekse, Nüsse, kleine Snacks wie Samosa oder Mandasi, Schmuck, Brillen, Handys und das jeweilige Zubehör, Parfum, Mützen und diversen anderen Kram. Es ist ja nicht so, dass man der Einzige ist, der beispielsweise Getränke verkauft. Nein. Es sind gar viele, die Selbiges anbieten. Hinzu kommt, dass die Busse manchmal nur für weniger als eine Minute anhalten. Es ist also Eile geboten, wenn man Käufer finden will. Oft wird das entsprechende Geld noch im letzten Moment aus dem Fenster geworfen, da sich der Bus bereits wieder in Bewegung setzte. Dieses für Touristen verrückt und durchaus interessant wirkende Schauspiel kann man den lieben langen Tag beobachten. Doch nicht selten gehen die Händler an den Bussen leer aus. Wenn sie Glück haben, verkaufen sie am Tag ein paar Kleinigkeiten. Nach Abzug der Ausgaben oder vorangegangener Investitionen, besteht ihr Gewinn oft nur aus ein paar Cent. Ich würde sogar behaupten wollen, dass jenes Geschäftsmodell bei vielen Händlern mit dem Kampf ums Überleben verbunden ist.
Das besagte Treiben an tansanischen Busbahnhöfen.
Vier Stunden nachdem mein Bus Same verlassen hatte, kam er in Lushoto an. Diese kleine Stadt liegt in den Usambara-Bergen auf 1400 Metern Höhe. Natürlich wurde ich am Busbahnhof des Ortes nach dem Aussteigen sofort von den Einheimischen angesprochen. Dabei wurden mir Ausflüge oder eine Fahrgelegenheit zur Unterkunft angeboten. Alles lehnte ich dankend ab, zumal man Entscheidungen – vor allem was die Ausflüge betrifft – in Ruhe treffen sollte. Abgeholt wurde ich von Michael auf einem Motorrad – in Tansania piki piki oder boda boda genannt. Michael arbeitet auf der Irente Farm, die ich als Unterkunft für drei Nächte auserwählte. Schlafen tat ich für etwa 7,40 Euro pro Nacht im sogenannten „A-Frame“, einem stabilen aus Naturmaterialien gebauten Zelt. Die Irente Farm Lodge und das Biodiversity Reserve ist ein etwas anderes Naturschutzgebiet, da es sowohl den Umweltschutz als auch die nachhaltige ökologische Landwirtschaft umfasst. Wie mir Michael erklärte, war Irente einst eine der experimentellen Kaffeeplantagen, die 1896 von der Plantagengesellschaft der deutschen Kolonialregierung gegründet wurde.
Noch an meinem ersten Tag in den Usambara-Bergen, in denen man über 3000 Pflanzenarten und über 600 Baumarten finden kann, machte ich mich zu Fuß auf den Weg zu einem Aussichtspunkt. Dabei traf ich neugierige Schulkinder und passierte den schiefen aber immerhin grünen Fußballplatz, auf welchem sich die Hühner sichtlich wohlfühlten.
Der Aussichtspunkt hielt das, was er versprach – einen fantastischen Blick auf die Bergkette und die darunter liegenden weiten und grünen Ebenen. Hier blieb ich für ein paar Stunden, um die tolle Atmosphäre und einen traumhaften Sonnenuntergang zu genießen. An diesem schönen Fleckchen Erde traf ich Auguste aus Frankreich, der vier Monate als Backpacker durch Tansania reist. Wir hatten eine sehr angenehme Unterhaltung und verabredeten uns für den nächsten Tag, um gemeinsam den Kisasa-Wasserfall zu erkunden. Auf unserem Weg durch Lushoto und die angrenzenden Dörfer hatten wir viel zu erzählen, zumal ja jeder von uns schon einiges erlebt und gesehen hatte. Langweilig wurde es also nicht, auch weil es während der Wanderung so manches zu entdecken gab.
Am Wasserfall angekommen, mussten wir eine Eintrittsgebühr von 10.000 tansanischen Schilling (etwa 3,70 €) bezahlen. Um Naturattraktionen zu sehen, ist eine solche Gebühr in Tansania durchaus üblich. Schon einen Tag zuvor hatte mich der Sonnenuntergang 5000 Schilling gekostet.
Am nächsten Morgen hatte ich mich mit Michael verabredet. Auf dem Programm stand eine Wanderung zu einem der höchsten Gipfel der näheren Umgebung. Als wir die Farm verließen, setzte der Regen, was zunächst kein Problem darstellen sollte. Wir passierten verschiedene Dörfer in dieser doch weitestgehend abgeschiedenen Region. Michael versorgte mich währenddessen mit einigen interessanten Informationen. Beispielsweise war das Gebiet während der Kolonialzeit bei den Deutschen und Engländern sehr beliebt und ist immer noch reich an historischen Gebäuden aus dieser Zeit. Eine kleine Pause legten wir in der Paradise Eco Farm ein. Dort wurden wir von Nick begrüßt, einem Südafrikaner, der als Kind elf Jahre in Deutschland lebte. Nach einem kostenlosen Milchkaffee und einem netten Plausch zogen wir weiter in Richtung Niavua Peak. Als wir die letzten Häuser und damit die Zivilisation, wen man davon überhaupt reden kann, hinter uns ließen, wurde es abenteuerlich. Die Wege waren durch den besagten Regen rutschig und demzufolge mit Vorsicht zu genießen. Verrückt wurde es, als ich weder einen Weg noch einen Trampelpfad erkennen konnte und wir uns durch einen nassen, üppig grünen und sehr dichten Farnenwald kämpften. Es fühlte sich an, als ob wir durch einen nicht enden wollenden Urwald krauchten. Je näher wir dem Gipfel kamen, desto sportlicher und schweißtreibender wurde es. Um den ersehnten Felsvorsprung zu erreichen, mussten wir jetzt auch noch klettern, dabei dienten uns die dicken Farnenstengel oder diverse Grasbüschel als Hilfsmittel. Nach fast drei Stunden erreichten wir schließlich unser Ziel.
Die Aussicht war atemberaubend schön und, wie immer bei solchen Touren, der Lohn für den anstrengenden Aufstieg. Bergab war es nicht viel einfacher, zumal der Untergrund glatt und uneben war. Wohlbehalten auf der Farm angekommen, genoss ich dort noch ein paar schöne Stunden – bei einem heißen Tee, selbstgebackenen Kuchen, leckeren Abendessen und einem gemütlichen Feuer.
Unterwegs in den Usambara-Bergen.
Am nächsten Morgen verließ ich die wunderschönen Usambara-Berge und machte mich mit dem Bus wieder auf den Weg nach Boma Ng’ombe, wo mich meine Freunde und die Spieler meines „neuen“ Fußballvereins schon sehnlichst erwarteten.