Ein Reisetagebuch
Die Annapurna-Umrundung ist ein Trekkingklassiker in Nepal und gehört laut Bergliebhabern und Experten zu den schönsten und abwechslungsreichsten Routen weltweit. Die Tour, welche mich auf insgesamt 15 Tagesetappen durch Nepals verschiedene Klima- und Vegetationszonen führte, war bereits in der groben Planung meiner Weltreise ein lohnenswertes Ziel. Denn das Annapurna-Massiv beherbergt Gipfel über 8000, 7000 und 6000 Meter.
1. Tag: Kathmandu nach Bahundanda (1310m)
12 Stunden Busfahrt
Um 5.30 Uhr holte mich Shiva, mein Guide und Begleiter für die kommenden zwei Wochen, am Hotel ab. Mit dem Taxi ging es durch das bereits sehr belebte Kathmandu. Am Busbahnhof angekommen, stiegen wir in einen mit 20 Personen überfüllten und nicht klimatisierten Kleintransporter, der uns nach Besisahar brachte. Für die 170 km auf dem Highway benötigten wir zirka sieben Stunden. Wer hier an eine breite Autobahn dachte, der irrte gewaltig. Es handelte sich um eine schmale, teilweise serpentinenartige und marode Landstraße, auf der sich unzählige Busse, Autos, LKW, Busse und Zweiräder aneinander vorbeischoben. Mit einem öffentlichen Bus ging die Reise weiter nach Bahundanda. Die Fahrt mit diesem „local bus“ ist die preisgünstigste Variante und die abenteuerlichste. Wo immer jemand am Wegesrand die Hand ausstreckte, hielt er. Einfach alles wurde in und auf den Bus gequetscht, ob Menschen, Reissäcke oder Hühner. Der alte Bus quälte sich hörbar diese schmalen und teilweise schlammigen Straßen – eigentlich eher schlechte Feldwege – hinauf und hinunter. Der Abhang oft zum Greifen nah – „Augen zu und durch“, so lautete scheinbar das Motto des Busfahrers. Nach insgesamt 12 Stunden abenteuerlicher Busfahrt kamen wir schließlich am Abend in Bahundanda an.
2.Tag: Bahundanda nach Chamje (1380m)
24.000 Schritte / 19 Kilometer
Ausgehend von diesem kleinen Ort, der sich in einer subtropischen und fruchtbaren Landschaft befand, wanderten wir durch grünes Hügelland mit Bananenstauden, Wasserfällen, Reisfeldern und moosbehangenen Wäldern, durchquerten dabei die kleinen Dörfer am Flussufer und den Berghängen des Marshyangdi-Flusses. Die Wege waren meist steinig, etwas rutschig und teilweise vom Wasser überzogen. Zu guter Letzt ging es steil bergauf durch den Wald nach Chamje.
3. Tag: Chamje nach Dharapani (1860m)
21.000 Schritte / 17 Kilometer
Am frühen Morgen ging es zunächst bergab Richtung Marshyangdi-Fluss, der uns auch in den kommenden Tagen immer wieder begleiten wird. Eine Hängebrücke überquerend, liefen wir vorbei an engen und steilen Tälern durch die sattgrünen Wälder. Ein Zwicken an meinen Füßen hatte eine kurze Zwangspause zur Folge. Es waren zwei Blutegel, die sich jeweils an einem Fuß durch die Strümpfe gebissen hatten. Die lästigen Viecher beseitigend und die blutenden Stellen versorgend, ging es nun den felsigen Falten eines Berges hinauf. An einem kleinen Teehaus ankommend, ließ uns die Aussicht ein weites schönes Tal entdecken. Nachdem wir später das erste Dorf im Manang-District erreichten, mussten wir auf der Straße wandern. Der ursprüngliche Wanderweg war durch Erdrutsche und Gerölllawinen nicht passierbar. Bevor wir Dharapani erreichten, setzte der Regen ein. Vorsicht war an den Stellen geboten, wo Wasserfälle die Straße für Wanderer kaum begehbar machten und wir über Steine balancierend am Abhang liefen. Am Nachmittag wurde der Regen stärker, was uns allerdings nicht störte, waren wir doch bereits in einem kleinen Gasthaus untergebracht.
4. Tag: Dharapani nach Chame (2670m)
26.000 Schritte / 21 Kilometer
Nach einem Schokoladen-Pancake zum Frühstück ging es zum Dorf Danaque und dann einen steilen Anstieg hinauf nach Timang. Einen nepalesischen Tee trinkend, bot sich uns ein herrlicher Blick auf den Manaslu, mit einer Höhe von 8163 Metern der achthöchste Berg der Erde. Nachdem wir in Kurung zum Mittagessen einkehrten, folgten wir anschließend meist flachen Wegen durch kleine nepaelische Dörfer und liefen an vielen buddhistischen Tempeln, Stupas und Gebetsmühlen vorbei. In Chame am Nachmittag angekommen, setzte erneut der Regen ein und die Temperaturen wurden einstellig. Dementsprechend kühl war die Nacht in der nicht beheizten Holzhütte.
5. Tag: Chame nach Upper Pisang (3300m)
22.000 Schritte / 18 Kilometer
Kurz nach 7 Uhr setzten wir bei blauem Himmel und Sonnenschein den langen, ebenen Weg durch die Wälder fort. Immer wieder konnten wir einen wunderbaren Blick auf die Bergschönheiten Manaslu, Lamjung und die Annapurna II genießen. Auf einer Hängebrücke überquerten wir den Marsyangdi, folgten einem sanften Aufstieg über einen Kiefernwaldrücken nach Dhikur Pokhari. Hier zeigte sich eine tolle breite Landschaft, die mit Blick auf die Nordseite der Annapurna II eine traumhafte Bergkulisse bildete. Auf einem verlassenen und kargen Sportplatz auf über 3000 Metern kribbelte es mir, einem ehemaligen Fußballspieler und Trainer, in den Füßen und ich legte eine kurze sportliche Fußballpause ein, bevor wir gegen 13 Uhr in Upper Pisang die Tagesetappe beendeten.
one ball, one world.
Am Nachmittag besuchte ich einen buddhistischen Tempel. Hier konnte ich eine Puja miterleben. Puja bedeutet „Verehrung“. Für viele Buddhisten ist sie ist ein wichtiges Ritual an Festtagen und im Alltag. Während der Handlung sprachen die Buddhisten beispielsweise Verhaltensregeln und Sutren, um das Andenken an Buddha zu ehren.
6. Tag: Upper Pisang nach Manang (3530m)
32.000 Schritte / 26 Kilometer
Das Örtchen Pisang verließen wir bereits 7 Uhr. Zunächst ging es einen steilen Berghang hinauf nach Ghyaru, einem alten und idyllischen auf 3700 Meter gelegenen Dorf im tibetischen Stil. Die Häuser hier sind übereinander gestapelt und bilden Veranden mit den Dächern der anderen. Der atemberaubende Blick auf die Annapurna II ließ die Strapazen des Aufstiegs schnell vergessen.
Bergauf mit einer tollen Aussicht.
Nach einer Teepause ging es meist ohne große Steigung am Berghang entlang nach Nagwal. Begrüßt wurden wir hier von einer Herde Yaks, die am Wegesrand grasten. Mit leckeren Momos im Bauch, das sind gefüllte Teigtaschen, ging es weiter abwärts nach Manang. Zirka zweieinhalb Stunden führte der Weg mit der Sonne im Nacken durch eine weite Ebene, die aus vereinzelten Pinienbäumen, viel Gestein und kleinen Flüsschen bestand. Alte und neuere Stupas, im Wind flatternde Gebetsfahnen und mit buddhistischen Versen handbeschriftete Steine waren auch heute allgegenwärtig.
7. Tag: Akklimatisierung in Manang
Sanft und gleichmäßig prasselte heute Morgen der Regen auf das Dach meiner Unterkunft in Manang. Schon am Vorabend setze dieser ein und sorgte für die eine oder andere Diskussion unter den Bergsteigern und ihren Guides. Manang dient genau eben Erwähnten zur Akklimatisierung, um größere Höhen zu erreichen und das Risiko einer Höhenkrankheit zu vermeiden. Der Ort ist mit seiner wunderschönen Naturkulisse und einer Wanderung am Vor- oder Nachmittag dafür bestens geeignet. Vorausgesetzt das Wetter macht einem dabei keinen Strich durch die Rechnung. Doch durch den ständigen Regen, teilweise Schneeregen, fiel die kleine Wanderung zum Gletscher, die mein Guide Shiva plante, heute sprichwörtlich ins Wasser. Die Wettervorhersagen für die kommenden Tage verheißen keine wirkliche Besserung. Angesagt sind Regen und in höheren Regionen auch Schnee. So steht hinter dem Höhepunkt und gleichzeitig dem höchsten Punkt meines Trekkingabenteuers, der Überquerung des Thorong-La-Pass auf 5416 Metern, momentan noch ein dickes Fragezeichen. Die Wettervorhersagen für die kommenden Tage verheißen keine wirkliche Besserung. Angesagt sind Regen und in höheren Regionen auch Schnee. So steht hinter dem Höhepunkt und gleichzeitig dem höchsten Punkt meines Trekkingabenteuers, der Überquerung des Thorong-La-Pass auf 5416 Metern, momentan noch ein dickes Fragezeichen.
8. Tag: Warten in Manang
Heute Morgen um 6 Uhr verriet der Blick aus dem Fenster: Manang ist schneebedeckt. Gestern am Akklimatisierungstag regnete es bereits ununterbrochen. Heute sollte die Tour theoretisch nach Yak Kharka (4000m) fortgesetzt werden. Mein Guide Shiva und ich werden hier in Manang noch einen weiteren Tag bleiben beziehungsweise eine weitere Nacht verbringen. Sollte es aber weiter schneien (und danach sieht es momentan aus), werden wir morgen höchstwahrscheinlich umkehren und absteigen. Warum? Erstens ist der Weg zum Höhepunkt und höchsten Punkt meiner Trekkingtour am Annapurna Circuit, dem Thorong-La-Pass auf 5416 Metern, mit so viel Neuschnee nicht beziehungsweise kaum zu erkennen. Zweitens – und das ist der wesentlichste Grund – besteht, je höher wir steigen, Lawinengefahr. Drittens wird es einfach mega kalt auf über 4000 Metern (es ist bereits jetzt schon richtig kühl) und das ist bei Regen und Schneefall und folglich nassen Klamotten noch unangenehmer.
Zudem gibt es kein Internet in den höheren Lagen und die Telefonverbindung funktioniert größtenteils auch nicht. So wird es also auch schwierig im Notfall zu kommunizieren oder Hilfe zu bekommen.
Meistens saß ich heute, so wie die meisten Trekker, Guides und Porter, im Aufenthaltsraum. Dort steht ein Ofen, der einzige hier, und spendet etwas Wärme. Hier trank ich geduldig heißen Tee, nahm hin und wieder etwas Leckeres zu mir, quatschte gelegentlich mit den anderen Leuten oder schrieb in meinem Tagebuch. Mein ungeheiztes und bei einer Außentemperatur von zirka 6 Grad demzufolge sehr kühle Zimmer nutzte ich tatsächlich nur zum Schlafen.
Mit dem Jeep kommt man zurzeit auch nicht bis zum Ausgangspunkt meiner Wanderung zurück. Es gab durch den Regen der letzten Tage in den weiter unten gelegenen Gebieten einige Erdrutsche und Gerölllawinen, welche bestimmte Abschnitte der einzigen Straße unpassierbar machten. Es bleibt also spannend, wie es weitergeht.
9. Tag: Manang nach Chame (2670m)
44.000 Schritte / 35,5 Kilometer
Heute Morgen stiegen wir vom schneebedeckten und kalten Manang ins verregnete und kühle Chame ab. So absolvierten wir gleich zwei Tagestouren auf einmal. Bei Dauerregen und teilweise sehr matschigen und manchmal kaum begehbaren Wegen war diese Wanderung eine physische Herausforderung. Natürlich war beim Abstieg eine gewisse Wehmut und Enttäuschung dabei, schließlich war ich nach Nepal gekommen, um den Thorong-La-Pass zu überqueren. Dieser wurde nun aus Sicherheitsgründen erstmal für die nächsten 7 Tage gesperrt. Wie es danach dort oben weitergeht, ist natürlich wetterabhängig.
Mein Guide Shiva hatte eine solche Situation in den letzten Jahren noch nicht erlebt. Überhaupt ist es das erste Mal in seinen 26 Jahren als Guide, dass er einen anvertrauten „Klienten“ nicht erfolgreich begleiten beziehungsweise „zum Ziel“ bringen kann. In meinem Fall war das die Überquerung des Thorong-La-Pass. Doch was bedeutet es eigentlich in den Bergen erfolgreich zu sein beziehungsweise Erfolg zu haben? Vermutlich würde jeder diese Frage mit der Überquerung des Passes beziehungsweise dem Erreichen des Gipfels beantworten. Ich hätte das vor einigen Tagen auch noch behauptet. Mit etwas Abstand und einigen Gesprächen betrachte ich es heute aus einem anderen Blickwinkel. Der Versuch den Pass bei Lawinengefahr, schlechtem Wetter und einem kaum sichtbaren Weg zu überwinden und dabei Leib und Leben zu riskieren, ist nicht nur verrückt, sondern eigensinnig und ignorant. Auch wenn man die Verantwortung für sein Leben selbst trägt, so hat man doch auch eine gewisse Verantwortung für die Menschen, die einen mögen und lieben. Ich glaube nicht, dass Familie und Freunde sich über einen Anruf aus Nepal gefreut hätten, der eine negative Botschaft zum Inhalt gehabt hätte. So kann doch auch ein verantwortungsvoller Abstieg als Erfolg bezeichnet werden. Oder etwa nicht? Zu erkennen, wo dem Menschen natürliche Grenzen gesetzt sind und dementsprechend zu handeln, scheint mir doch eine wertvolle Erkenntnis beziehungsweise Erfahrung. Die zahlreichen Nachrichten, die mich in diesen Tagen erreichten, zeigten mir, wie viele Menschen mit mir fieberten und letztlich meine Entscheidung abzusteigen, begrüßten. Für die lieben Worte und Wünsche möchte ich mich an dieser Stelle einmal ganz herzlich bedanken.
10. Tag: Chame nach Dharapani (1860m)
26.000 Schritte / 21 Kilometer
Heute Morgen kurz nach 8 Uhr setzten wir unseren Abstieg fort. Mit von der Partie war Wanda aus Rumänien. Sie lebt seit ein paar Jahren in England und wollte ebenso wie ich den Thorong-La-Pass überqueren. Doch auch sie hatte sich dazu entschlossen, umzukehren. Ich hatte Wanda vor einigen Tagen in Upper Pisang getroffen, wo wir bereits gute Gespräche miteinander führten. Auf dem Weg nach Dharapani sorgten Erdrutsche und Gerölllawinen sowie Wasserfälle für die eine oder andere Herausforderung. Beispielsweise war ein Teil der Straße, die wir vor ein paar Tagen noch nutzen, einfach nicht mehr da. Ein Erdrutsch hatte sie mit in den Abgrund gerissen. Als Wanderer bahnte man sich einfach neue Wege über den Teil des Geländes, welcher noch passierbar war oder weitestgehend ungefährlich erschien. Shiva und ich hatten uns bereits in Manang mit Gummistiefeln versorgt. Diese waren zwar ganz praktisch, beispielsweise als wir durch fast kniehohes Wasser watschten, welches durch diverse Wasserfälle die Straße querte, aber auch ziemlich unbequem und fürs Wandern nicht wirklich geeignet. Am Himmel waren heute auch viele Helikopter zu sehen. Sie brachten Lebensmittel in die abgeschnitten Dörfer und „evakuierten“ Wanderer, die für den Abstieg entweder keine Zeit oder keine Muße mehr hatten.
11. Tag: Dharapani nach Jagat (1300m)
26.000 Schritte / 21 Kilometer
Die Gummistiefel waren auch heute ein probates Mittel, um die kleinen und größeren natürlichen Hürden zu meistern. Erneut hatten wir uns mit den Folgen der Wetterextreme der letzten Tage auseinanderzusetzen. So kamen wir durch eine kleine Ortschaft, in welcher einige Häuser durch Gerölllawinen beschädigt wurden oder sogar gänzlich in die Schlucht stürzten. Ein paar Kilometer weiter türmte sich mitten auf der Straße ein großer Haufen aus Steinen und Erde auf. Nur mit vereinten Kräften gelang es den Fahrern von Motorrädern diesen samt ihres Fahrzeugs zu überwinden. Später half uns ein provisorisch gespanntes altes Drahtseil, eine gefährliche Wasserstelle – ein Wasserfall flutete die Straße – zu überqueren. Aufgrund der Wassertiefe versagten an dieser Stelle unsere Gummistiefel.
Wasserwege in den Bergen 😉
Mit nassen Klamotten ging es weiter der Straße entlang. Beim Bergablaufen und etwas Sonnenschein ergab sich ein wunderbarer Blick auf die grünen sich mächtig auftürmenden Bergfelsen und das Tal mit der tiefeingekerbten Marsyangdi-Schlucht. Bereits am frühen Nachmittag hatten wir unser Tagesziel erreicht – Jagat. Das Örtchen ist bekannt für die sogenannten „Hot Springs“ – auf deutsch „heiße Quellen“. Zirka 600 Stufen ging es steil bergab bis wir diesen idyllischen Platz erreichten. Das Wasser wurde abwechselnd in die zwei vorhandenen Betonbecken eingelassen. Es war so heiß, dass mit Hilfe eines Schlauches ebenso kaltes Wasser zugefügt wurde. Shiva, ich sowie zahlreiche andere Trekker genossen, nach den Strapazen der letzten Tage, die wohltuende Wärme und Ruhe, die im krassen Gegensatz zu dem ein paar Meter weiter unten kalten und mitreißendem Marsyangdi-Fluss stand.
Hier lernte ich den 27-jährigen Tenzin kennen. Er kommt ursprünglich aus Tibet, lebte für viele Jahre in Indien und wohnt mittlerweile in Kathmandu. Wir unterhielten uns nur kurz, denn er kam zur Quelle, als ich sie verließ. Diese kurze Begegnung sollte meine Nepalreise noch auf besondere Weise beeinflussen. Bei einem Abendspaziergang traf ich ihn nur durch Zufall wieder. Er lud mich auf einen Tee ein, den wir auf der Dachterrasse seines Hotels genossen. Dabei erzählten wir über unser jeweiliges Leben. Er berichtete mir, dass er mit sechs Jahren von seinen Eltern über den Himalaya ins indische Exil (in ein tibetisches Kinderdorf) geschickt wurde, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft und ein besseres Leben, welches ihm und seinen Landsleuten in Tibet weitestgehend verwehrt bleibt oder sogar wird. Denn Chinas Politik in Tibet zielte darauf ab (und sie tut es immer noch), die tibetische Identität auszulöschen und den Bildungsstand unter Tibetern niedrig zu halten. Tenzin hat seine Eltern seither nicht mehr in den Arm nehmen können. Kontakt haben sie lediglich über soziale Netzwerke. Eine Unterhaltung, die mich noch bis spät in die Nacht beschäftigte.
12. Tag: Jagat nach Ngadi (930m)
31.000 Schritte / 25 Kilometer
Der letzte Trekkingtag am Annapurna Circuit begann kurz nach sieben Uhr. Wanda, ihr Guide und dessen Porter schlossen sich uns erneut an, allerdings nur für eine Stunde. Anschließend folgten wir dem Trekkingpfad und Wandas Team der Straße, wollten sie doch an diesem Tag noch bis nach Besisahar, um morgen nach Kathmandu zu fahren. So liefen Shiva und ich durch die sich grün und saftig darbietende Landschaft, dicht bewachsenen Wald und zahlreiche Reisefelder, die von den Nepalesen so toll gepflegt werden.
In Bahundanda, dort startete mein Trekkingabenteuer vor knapp zwei Wochen, erwartete mich nicht nur ein leckeres Mittagessen, sondern eine traumhafte Aussicht. Mein Blick schweifte noch einmal über die herrliche Landschaft. Ein kleiner Wermutstropfen für den Teil in mir, der gern auch das Panorama auf über 5000 Metern genossen hätte. Zu Fuß ging es weiter abwärts nach Ngadi. Ursprünglich wollten wir hier noch einmal übernachten. Der einsetzende Regen und die Bitte eines Freundes meines Guides doch schon heute nach Besisahar zu kommen, ließen uns einen vorbeisausenden Jeep anhalten. Dieser nahm uns für einen paar nepalesische Rupien mit nach Besisahar, wo wir auch Wanda wiedersahen.
13. Tag: Besisahar nach Pokhara
6 Stunden Jeep- und Busfahrt
Pokhara gilt als Tor zur Annapurna-Region. Wenn mein Guide über diese Stadt am Phewa-See in Zentralnepal sprach, war er voll des Lobes. So war es also nicht verwunderlich, dass ich die letzten beiden Tage meiner gebuchten Trekkingreise hier verbrachte. Zunächst fuhren wir mit dem Jeep von Besisahar nach Dumre und anschließend mit dem öffentlichen Bus nach Pokhara. Mit sechs Stunden Fahrzeit auf diesen – nett ausgedrückt – „abenteuerlichen“ Straßen war am Nachmittag nur noch etwas Zeit für einen kleinen Stadtbummel und den Besuch des Internationalen Mountain Museums, welches erst 2004 eröffnet wurde. Es bot mir einen guten Einblick in die Geschichte des Bergsteigens rund um die höchsten Gipfel der Welt. Inhaltlich konzentriert es sich auf die nepalesischen Berge und den Himalaya. Eindrucksvoll war für mich die Abteilung, die Edmund Hillary und Tenzing Norgay gewidmet ist. Sie bestiegen im Jahr 1953 zum ersten Mal den Everest. Ausstellungen über die verschiedenen Stämme und indigenen Völker Nepals sowie über die Legende des Yeti waren ebenfalls sehr interessant.
14. Tag: Aufenthalt in Pokhara
Sonnenaufgang in Pokhara.
Pokhara ist nicht nur als Ausgangs- oder Endpunkt für den Annapurna Circuit bekannt, sondern auch für die spektakuläre Kulisse der schneebedeckten Gipfel des Annapurna-Gebirges. Und genau jene schaute ich mir morgens kurz vor sechs Uhr an. Der Sonnenaufgang auf dem Sarangkot Mountain (1600m) hatte einen traumhaften Blick auf das Dhaulagiri-, Annapurna- und Manaslu-Gebirge zu bieten. Ein schönes Farbspiel inklusive.
Hier verabschiedete ich mich auch von Shiva, der mich in den letzten zwei Wochen so wunderbar begleitete und mir dabei viel über Land und Leute berichtete. Während er zurück nach Kathmandu flog, schlenderte ich am Nachmittag am hübschen Phewa-See entlang und genoss die Ruhe und Aussicht in einem netten Café sitzend.
15. Tag: Aufenthalt in Kathmandu
Um mir eine stundenlange Busfahrt über Stock und Stein zu ersparen, flog ich am Vormittag zurück nach Kathmandu. Zirka 25 Minuten dauerte diese Reise mit atemberaubender Sicht auf die schneebedeckten Gipfel Nepals. Kaum etwas ist vergleichbar mit dieser makellosen Schönheit der Berge. Es war als berührte man die hohen Berge mit der Seele und den Augen. Ich erblickte die Natur in ihrer ursprünglichsten Form. Ein kurzer Flug, der zum Abschluss einen bleibenden Eindruck hinterließ. Am Nachmittag traf ich mich mit Saroj, der mir mit seiner kleinen Agentur namens Corporate Adventure Treks ein tolles Erlebnis organisierte. Auch Shiva war dabei, als wir bei einem Mittagessen dieses Abenteuer, und nichts anderes war es ja schließlich auch, auswerteten.
Später traf ich mich mit Tenzin. In den Bergen am Annapurna Circuit hatten wir uns geschworen, dass wir uns in Kathmandu treffen. Zusammen verbrachten wir nun ein paar tolle Stunden in der nepalesischen Hauptstadt. Dafür düsten wir mit seinem Motorrad durch die Straßen, besichtigten im Osten der Stadt eine der größten buddhistischen Kultbauten der Welt: die Jarung Khashor Stupa von Boudhanath. Ein Kaffee schlürfend, hatten wir von einer Dachterasse eine tolle Aussicht auf diesen heiligen Platz. Anschließend schnürten wir die Sportschuhe und spielten mit seinen Freunden eine Runde Basketball. Bei ihm Zuhause angekommen, tranken wir einen Tee und unterhielten uns über so viele Dinge: Familie, Freundschaft, Christentum, Buddhismus. Es war erstaunlich, wie tiefgründig unsere Gespräche waren obwohl wir uns kaum kannten. Tenzin sprach hierbei von Karma. Zum Abschluss des Tages waren wir mit seinen beiden Mitbewohnern noch essen. Unter anderem stand Büffelfleisch und Zunge vom selbigen Tier auf dem Speisetisch. Ebenso wie das Yakfleisch, welches ich in den Bergen Nepals probierte, war es durchaus schmackhaft.
Am Hotel angekommen, verabschiedete ich mich von einem wirklich tollen und liebenswerten Menschen, der es innerhalb kurzer Zeit schaffte, einen Platz in meinem Herzen zu ergattern. Wir wollen versuchen Kontakt zu halten und uns irgendwann wiedersehen. Ich bin mir relativ sicher, dass Letzteres bestimmt klappen könnte, zumal es gewiss nicht das letzte Mal war, dass ich Nepal besuchen werde. Es ist die Heimat atemberaubender Berge und außergewöhnlich warmherziger und engagierter Menschen. Beides faszinierte und beeindruckte mich so sehr, dass ich, so Gott will, zurückkehren werde.
Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
Mein lieber Henry,
Deine Berichte zu lesen ist so als wäre man dabei .
Ich bin froh immer wieder von Dir zu hören und ganz besonders freue ich mich auf Januar wenn wir uns am anderen Ende der Welt Wiedersehen werden ….
Liebe Grüße Jana und Marco ❤️
Lieber Henry, deine faszinierenden Berichte, lassen bei mir Fernweh aufkommen. Und ich bin jedes mal froh, wenn du heil aus einem Abenteuer herauskommst.
Ich muss auch deinem Bruderherz beipflichten, es ist toll, dass du immer jemanden findest, der so faszinierend und interessant und die wohlgesonnen ist. Bei jedem einzelnen in jedem Land möchte ich mich gerne persönlich bedanken, dass sie mit dir reisen, ihre Geschichten teilen und ein bisschen auf dich aufpassen.
Du genießt jeden Moment, und das ist genau richtig. Ich bin bei dir. Dicker Drücker, Pass auf dich auf und Grüße an mein Cousinchen, im Lauf deiner Reise. 😉
Deine Franzi
Und wieder ein unglaubliches Abenteuer. Trekking in Nepal ist schon eine Nummer für sich. Definitiv hast Du etwas erlebt was nicht vielen vergönnt ist. Und Du kannst froh sein, dass der Wintereinbruch nicht o ben auf dem Pass kam, das hätte weit gefährlicher werden können. Aber ungeachtet dessen sehen wir an Deiner Beschreibung, dass Dich Nepal genauso fasziniert hat wie uns. Und einmal mehr hast Du das Motto Deiner Reise gelebt, nämlich dass der Weg das Ziel ist. Es ist nicht so wichtig, genau da anzukommen, wo man hin will, solange man die gute Laune nicht verliert und das beste aus der Situation macht. So lange Du das kannst, wird Dir nicht den Spaß auf Deiner Worldtour vermiesen können. Wir sind wir immer in Gedanken bei Dir.